Ratingen Sommer-Lese (1)
Düsseldorf · Zur Feier des Sommers veröffentlichen wir in loser Folge Gedichte und Geschichten aus dem Literaturkreis Era, einer Autorengruppe, die sich mit selbstverfassten Texten beschäftigt. Den Auftakt macht Ulrich Scharfenorth mit "Sommer im Hof".
Genieße den Sommer, der nächste Winter kommt bestimmt – das meint auch Ulrich Scharfenorth:
Früh,
wenn das Zwitschergeläut
mich aufweckt,
liegt er noch im Dunkel,
der Hof.
Tauschwer wiegen die Rispen
und das Mondrad schlägt
letzte Purzelbäume.
Später,
wenn der Lichtschein
die weiße Mauer erreicht
und die Schwarzdrossel
ihren hektischen Flug
ins Efeu aufnimmt,
gelbt sich das Mädchenauge.
Violett rankt Clematis
in den Tag
und das Buschrosengesträuch
wiegt rotfarben
im Morgenwind.
Einmal gurrt
die Taube
im Fichtendunkel,
stürzt ab sodann
ins Felsengebirn.
Pickend und schluckend
am Kugelrot
wiegt sie
den schwankenden Grund.
Fortwährend surrt es
an den Glasscheiben
der Überdachung.
Hummeln wetzen
ihre samtenen Leiber
am unbegreiflichen
Nichtdurch und Nichtweg.
Mittags, wenn die Hitze
die Hortensienblüten
schlapp macht,
herrscht Schweigen.
Nur vereinzelt ächzt
ein Brett, ein Balken
im Holzgeviert.
Allenfalls die Fische im Teich
trotzen der Glut.
Doch auch ihre Bahnen
scheinen kürzer,
ihr Flossenschlag
mäßiger als im Frühtau.
Wenn der Hibiskus
in den Schatten gerät,
ist es Nachmittag.
Noch flirrt die Hitze
vom Pflaster, noch lehnt der
Federmohn müd
am Bambusgeflecht.
Doch bald schon wächst
der Stockrosenbusch
ins Sonnenbad.
Nur Tage noch,
bis er aufbricht
in rot und sattgelb.
Hier im Hof
ist alles Samt,
alles Sommer,
all-land und allfreud.
Erst wenn
der Abend kommt,
wenn die Sonne
ihre Rotstreifen
übers nachbarliche Dach schiebt,
dann taumelt er aus,
der Tag.
Die Luft,
sanft und vollmundig
küßt unsere Haut.
Welch ein Glück,
daß der Hof,
kleineckig und verblümt,
das hergibt:
Sinn und Hoffnung,
und Andacht.
Erst die Schatten der Nacht
am Rotweinglas
lassen ahnen,
daß alles auch stürzen könnte....