Ratingen Sie hütet die Kasse der heiligen Musik

Ratingen · Klavierlehrerin Annette Raidt engagiert sich im Kirchenmusik-Förderverein "Musica sacra" an Sankt Peter und Paul.

Klavierlehrerinnen sind im Schlager (Udo Lindenberg), in Literatur (Elfriede Jelinek) und Film (Ingmar Bergmann) sehr oft sehr schräge Damen, in Gebrauchsfernsehstücken irgendwo zwischen strenger Juffer oder verträumtem Mädchen angesiedelt. Und dann trifft man eine Frau mit diesem Beruf - und sie ist ganz anders: Annette Raidt, Musikerin, Klavierlehrerin, Ratingerin und dann auch noch Vorsitzende des Fördervereins Musica sacra. Was, pingelig übersetzt, heilige Musik heißt.

In Ratingen ist damit die Gemeinschaft gemeint, die mit großem Engagement ein Netzwerk von Freunden, Förderern und Mäzenen in Ratingen und im Kulturraum Rhein-Ruhr aufgebaut hat, das Ratingen als Kirchenmusik-Zentrum nachhaltig absichert. Kantor Ansgar Wallenhorst weiß darum auch die Aktivitäten von Annette Raidt in würdigende Worte zu kleiden: "Musica sacra ist weniger Verein als christlich-nachbarschaftliches Engagement um das wärmende Feuer der Musik. Da ist Annettes Mischung aus Kreativität und Pragmatismus geradezu ideal - Ideen nach vorne bringen und viele dabei mitnehmen", meint er. Und er weiß als in seiner musikalischen Intention Unterstützter, wovon er redet. Annette Suska, 1960 geboren, ging überwiegend als Einser-Schülerin durch die Schulen. Sie hätte Medizin studieren können. Doch - sollte ein Kind, das schon im Kinderbett vor dem Klavier der Eltern geparkt worden war, und sich da ziemlich erfolgreich und vor allem begeistert an den Tasten entlang gehangelt hatte - sollte ein solches Kind als Erwachsene in den weißen Kittel gesteckt werden? Familiengeschichtlich gab es einen Großvater mütterlicherseits, der Geiger gewesen war. Annette Vater wiederum spielte an Weihnachten die zum Fest gehörenden Lieder. Also war ein gewisses genetisches Gepäck vorhanden. Davon spürte sie nicht viel, als sie bereits mit viereinhalb Jahren zu Adolf Mingers begleitet wurde, der der erste Musikschulleiter und damalige Leiter des Kulturamtes war. Ein würdiger Herr mit wolkigem, weißen Haar in einer eindrucksvollen Jugendstil-Wohnung. Doch das kleine Mädchen sah, dass die Klaviertasten in dieser Umgebung nicht anders waren als die heimischen. Bis sie zwölf Jahre alt war, lernte Annette bei ihrem ersten Lehrer und wechselte nach seinem plötzlichen Tod zu Klavierlehrerin Adams, die gleichfalls für die Tastenkünste vieler Ratinger Kinder und Jugendlicher verantwortlich war. Zudem spielte sie im Schulorchester, im Orchester der Jugendmusikschule - was anfänglich identisch war - hatte schon mit 16 Jahren die Gelegenheit, als Jungstudentin an der Folkwang-Hochschule in Essen zu reüssieren.

Bei der Wahl des Studiums der Musikpädagogik gab es keine Zweifel. Als zweites Instrument wählte die Studentin Querflöte, die sich aber später nie zur ganz großen Liebe entwickelte. Wenngleich sie auf einem Fahrrad zu transportieren war, was bekanntlich mit einem Klavier nicht möglich ist. Diese Tatsache ist für begeisterte Pianisten immer wieder mit Überraschungen besetzt; denn sie müssen das Instrument nehmen, das sie bei einem Vorspiel, bei einem Auftritt vorfinden. Noch vor dem Examen 1983 wurde die tiefe Zuneigung zum Schulmusiker Jürgen Raidt mit der Hochzeit besiegelt, später kamen zwei Töchter in den musikalisch bewegten Haushalt. Doch dort war die Freiheit so groß, dass die anfängliche kindliche Affinität zu Klavier und Geige oder Cello nicht auf Deubel komm raus durchgezogen werden musste. Die Töchter sind erwachsen - doch im Raidtschen Wohnzimmer setzen sich wöchentlich 20 andere Kinder an den Flügel. "Ob sie nun geübt haben oder nicht - wir lernen aus beidem etwas", sagt die Lehrerin. Manchmal haben die Schüler auch schon etliche Jahrzehnte Lebenserfahrung. Und die jungen meistens ein ziemlich umfangreiches Schulpensum hinter sich.

Dann lassen sie mit einer überaus ruhigen, aber sehr einfühlsamen Pädagogin ihrer Fantasie und dem musikalischen Können und Wollen freien Lauf. "Und beim Spielen, beim Geschichten-Erzählen mit Noten finden die Kinder zu sich selbst." Darauf kann Annette Raidt stolz sein.

(RP)
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