SPD-Fraktionsvorsitzender Christian Wiglow "Sicherungsleine beim Rathaus-Neubau"

Ratingen · Christian Wiglow, der SPD-Fraktionsvorsitzende, äußert sich vor der heutigen Sondersitzung des Rates zu den Kosten für das Millionen-Projekt, zum Baustellenmanagement und zu den Problemen, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.

 SPD-Fraktionschef Christian Wiglow fordert mit Blick auf den Rathaus-Neubau besondere Sorgfalt ein. Das Projekt binde einen Großteil des investiven, also für Investitionen bestimmten Budgets, betonte der erfahrene Kommunalpolitiker.

SPD-Fraktionschef Christian Wiglow fordert mit Blick auf den Rathaus-Neubau besondere Sorgfalt ein. Das Projekt binde einen Großteil des investiven, also für Investitionen bestimmten Budgets, betonte der erfahrene Kommunalpolitiker.

Foto: Achim Blazy

Die SPD fordert in Sachen Rathaus-Neubau einen festen Kostenrahmen ein. Befürchten Sie ein Kosten-Debakel?

Wiglow Das will ich nicht hoffen! Öffentliche Bauvorhaben kranken daran, dass zur politischen Entscheidungsfindung Kosten schön gerechnet werden und dann im Bauvollzug immer neue Positionen hinzukommen, die die Kosten massiv steigern. Das darf hier nicht passieren. Das Rathaus ist eines der größten Investitionsprojekte auf Sicht in unserer Stadt und bindet einen Großteil des investiven Budgets. Daher ist hier besondere Sorgfalt gefragt. Wenn man sich die Kostenentwicklung bei der Feuerwache, jetzt die Probleme mit einem vergleichsweise einfachen Vorhaben wie dem am Gratenpoet anschaut oder an die Poller denkt, ist jede nur erdenkbare Sicherungsleine beim Rathaus mehr als angebracht.

Sie haben sich für ein Baustellenmanagement eingesetzt. An welchen Punkten muss dieses Management mit Blick auf die nächsten Bauprojekte besonders ansetzen?

Wiglow Es hat mich erstaunt und erfreut, dass nach all den Widerständen der Verwaltung gegen unseren Antrag die Umsetzungsvorschläge zum Baustellenmanagement sehr schnell und auch sehr überzeugend gekommen sind. Baustellenmanagement soll auf zwei Ebenen wirken: Auf der einen Ebene soll die Öffentlichkeit über das Bauvorhaben, den Baufortschritt, Ausweichlösungen für Parken, geänderte Verkehrsführung etc. während der Bauphasen besser informiert und dort wo möglich beteiligt werden. Angesichts der kommenden drei Großprojekte muss es gelingen, von Anfang an für Transparenz zu sorgen und eine Vorteilsübersetzung der Baumaßnahmen zu erreichen. Zudem können interessante Bauvorhaben durchaus als Frequenzbringer dienen und somit ihre unvermeidbaren Begleiterscheinungen kompensieren. Auf der anderen Seite soll das Baustellenmanagement durch eine noch engere Begleitung der Baumaßnahme dafür sorgen, dass die unvermeidbaren mit der Baumaßnahme verbundenen negativen Begleiterscheinungen für den Einzelhandel minimiert werden. Dazu gehören klare, verbindlich verfasste Absprachen zu zusätzlichen Reinigungsintervallen, deren Einhaltung kontrolliert wird.

Anderes Thema: Was muss die Stadt tun, um mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen?

Wiglow Bisher tut die Stadt ja eigentlich gar nichts. Zudem gibt es eine Mehrheit, die gerne aus fragwürdigen Sorgen um das Stadtbild bei jedem Bauvorhaben im Geschosswohnungsbau Hürden aufbaut und Volumina reduziert mit der Folge, dass weniger und teurere Wohnungen entstehen. Wir haben jetzt aktuell im Sozialausschuss eine Vorlage zum sozialen Wohnungsbau (149/2013). Diese Vorlage ist ein Armutszeugnis der Verwaltung! Offenbar besteht kein Wille, auch hier nur ansatzweise tätig zu werden. Die Lage ist dramatisch: Der Bestand an Sozialwohnungen wird von 2002 bis April 2013 fast halbiert (-2664). Ratingen muss eine Stadt sein, in der Menschen aller Einkommensschichten leben können, keine Schlafstadt für Besserverdienende aus Düsseldorf. Der Verkauf eines Teils der städtischen Wohnungen auf dem freien Markt ist angesichts dieser Situation eine falsche Entscheidung und muss dringend korrigiert werden. Von daher werden wir erneut beantragen: Der Rat soll zur Schaffung von öffentlich gefördertem bzw. bezahlbarem Wohnraum als Selbstbindung beschließen, in allen geeigneten Bebauungsplänen Flächen für sozialen Wohnungsbau auszuweisen. Die Verwaltung wird unter anderem beauftragt, mit der Wogera Verhandlungen aufzunehmen, um den städtischen Wohnungsbesitz an die Wogera zu übertragen und für wirtschaftlich nicht mehr darstellbare städtische Objekte (Sanierungsstau, energetischer Zustand, Wohnstandards) Modelle zu entwickeln wie die an der Philippstraße.

Wie sieht die Zusammenarbeit mit Elisabeth Müller-Witt aus, die ja jetzt für die SPD im Landtag sitzt?

Wiglow Ich arbeite mit Elisabeth Müller-Witt schon seit vielen Jahren gut und vertrauensvoll zusammen und daran hat sich durch den Einzug in den Landtag nichts verändert. Viele Fragen, die uns als Kommune drücken, können wir mangels eigener Zuständigkeit nicht alleine lösen. Von daher ist die Unterstützung durch den Landtag wichtig (siehe nur L 239, Barrierefreiheit am Bahnhof Hösel, Inklusion). Zum anderen ist es gut, dass wir so einen guten Zugang haben, um die Sichtweise der Kommune und unserer Stadt Ratingen einzubringen.

Stichwort Werbesatzung: Warum tut sich der Rat bei diesem für die Gastronomie so folgenreichen Thema so schwer?

Wiglow Ich kann die Haltung der Mehrheit nicht verstehen. Meines Erachtens wird hier ein künstlicher Interessenkonflikt konstruiert, bei dem mit einer völlig unpassenden Absolutheit berechtigte Belange unterschiedlicher Gruppen gegeneinandergestellt werden. Es geht weder darum, die Stadt voller Tische und Stühle zu stellen, damit keiner mehr durchkommt, noch wollen Mobiltätseingeschränkte eine leere Stadt. Wir haben ja genug Gespräche dazu geführt. Das Bewusstsein ist ja da, dass mit gegenseitiger Rücksichtnahme ein gedeihliches Miteinander von Außenbewirtung und Passieren erfolgen kann. Das Ärgernis der inflationären Werbeständer auf der Oberstraße ist beseitigt, da sind sich alle einig. Das war auch der Wunsch aus dem Seniorenrat. Danach ist aber mit politischer Rückendeckung der Amtsschimmel Amok gelaufen und will in deutscher bürokratischer Gründlichkeit nun alles zu Tode regeln, bis hin zu den Sonnenschirmen. So schaffe ich aber keine lebenswerte Stadt! Ich glaube, dass die Mehrheit im Rat sich hinter dem Erfahrungsbericht der Verwaltung versteckt, den man auf Kosten der Gewerbetreibenden erst mal abwarten will, anstatt den Mut aufzubringen zu sagen, dass doch zu viel des Guten geregelt wurde.

NORBERT KLEEBERG STELLTE DIE FRAGEN.

(RP)
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