Ratingen Schule der Bäuerinnen
Ratingen · Die letzte Leiterin der Mädchenabteilung der ehemaligen Landwirtschaftsschule am Hauser Ring hat dem Stadtarchiv mehrere Fotoalben geschenkt. Ein dokumentarischer Glücksfall – und eine Erinnerung an verloren gegangenes Wissen, zum Beispiel über Ernährung und Gartenbau.
Die letzte Leiterin der Mädchenabteilung der ehemaligen Landwirtschaftsschule am Hauser Ring hat dem Stadtarchiv mehrere Fotoalben geschenkt. Ein dokumentarischer Glücksfall — und eine Erinnerung an verloren gegangenes Wissen, zum Beispiel über Ernährung und Gartenbau.
Apfelsinentorte, Oberhemd ausbessern, drei Türen und Garderobenschrank im Flur abwaschen — vor dieser Prüfungsaufgabe für die Landwirtschafts-Schülerinnen im Jahr 1958 dürften junge Frauen und Männer von heute reihenweise kapitulieren. Es will ja auch kaum noch jemand Bauer werden, geschweige denn Bauersfrau, wie man hört, liest und sogar im Fernsehen sehen kann.
Systematisch lernen, wie man einen Haushalt führt, ist allgemein aus der Mode gekommen, wohl weil der Begriff Haushaltsführung mit wenig attraktiven Assoziationen wie Biederkeit, Spießertum, überholten Rollenzuweisungen und frischgestärkten Kittelschürzen behaftet ist. Wer heutzutage backen möchte, greift zur Fertigmischung; wer etwas brutzeln will, lässt erst einmal vom Metzger das gewünschte Bratgut identifizieren und fragt die Verbrauchsanweisung ab; wer etwas auszubessern hat, bringt es in die Schneiderei. Uralte Kulturtechniken verkümmern, das Wissen über Nahrungsmittel und den Umgang mit ihnen ist allgemein rückläufig. Rosemarie Masur, die seit 1951 Lehrerin in und ab 1960 Leiterin der 1929 eröffneten Mädchenabteilung der Landwirtschaftsschule am Hauser Ring war, hätte das nicht gutgeheißen.
Und zwar überhaupt nicht, denn die Schmiede für junge Landfrauen aus der Region — Hoferbinnen und dem Landleben zugetane Frauen, die in einen Bauernhof einheiraten wollten — hatte es sich zur Aufgabe gemacht, die Hausarbeit zu professionalisieren, als Lehrberuf wie andere auch. Ernährungslehre, Gartenbautheorie, Gesundheitspflege, Wäschepflege, Gemeinschafts- und Familienkunde standen im Lehrplan, später auch die fachgerechte Verarbeitung von Gefriergut für die bahnbrechende Erfindung der Tiefkühltruhe.
Rosemarie Masur, die bis zu ihrem Tod im Jahr 2008 in Haus Salem lebte, hat den Schulalltag akribisch in Fotoalben dokumentiert und sie dem Stadtarchiv zum Geschenk gemacht. Sie kannte die Schule, die 1908 als Fortbildungsstätte für junge Landwirte der Region gegründet wurde, in- und auswendig. Sie wusste auch, dass sich viele Jungbauern dort ihre späteren Ehefrauen sicherten, doch blieben die Abteilungen bis zur Schließung der Schule im Jahr 1969 streng getrennt. Die Männer kamen höchstens mal als Tischgäste in die Mädchenabteilung, mussten anschließend aber immerhin abspülen.