Ratingen Schöner wohnen im ehemaligen Landgericht

Ratingen · Das historische Haus auf der Teichstraße gehört zu den bedeutenden Baudenkmälern der Stadt. Einst völlig abgewirtschaftet, fällt es Spaziergängern heute als Schmuckstück ins Auge. Ein Hausbesuch.

 Anika Follmann hat sich auf Anhieb in dieses Haus verliebt. Entdeckt hat sie es im Internet.

Anika Follmann hat sich auf Anhieb in dieses Haus verliebt. Entdeckt hat sie es im Internet.

Foto: achim blazy

ost Wohnen, wo vermutlich bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts ein Gericht über Recht und Unrecht befand, ist an sich nicht ungewöhnlich in Zeiten, in denen Mühlen, Fabriken, Schulen, Leuchttürme, Gefängnisse gar und dergleichen mehr wohnlich gemacht werden. Aber das ehemalige Ratinger Landgericht auf der Teichstraße ist natürlich, jedenfalls seit seiner Komplettsanierung im Jahr 1995, ein ungewöhnlich schönes Domizil - so idyllisch für sich und doch in mittelbarer Fachwerknachbarschaft (siehe die Straße In der Brück) gelegen, mit der mild rauschenden Anger gleich vor der Haustür und nicht weit vom Blauen See. Die derzeitigen Mieter fanden das Haus vor drei Jahren ganz unspektakulär im Internet inseriert - und wussten, dass ein Traum wahr werden würde, wenn sie den Zuschlag bekämen.

"Ich war sofort in das Haus verliebt", sagt Anika Follmann, die mit Mann, Kind, Hund und Katzen seit drei Jahren dort wohnt, auf rund 120 Quadratmetern mit kleinem Garten. Das spätbarocke Haus mit Walmdach und einem kleinen Anbau, der wohl aus dem 19. Jahrhundert stammt, ist verwinkelt, hat viele kleine Räume, mithin jede Menge Charme. Anika Follmann dekoriert gern, innen und außen. Von Spaziergängern bekommt sie immer wieder Komplimente für ihre liebevollen Arrangements: "Das haben Sie aber wieder schön gemacht" und "Ich bin schon neugierig, was Sie als nächstes vorhaben." Der Zuspruch ist derart groß, dass Follmann überlegt, sich mit Dekorationen für Privathäuser und Geschäfte selbstständig zu machen.

 So sah das Haus 1996 aus: Aufgrund von Feuchtigkeit bröckelte der Putz von den Wänden. Das Gebäude musste grundlegend saniert werden.

So sah das Haus 1996 aus: Aufgrund von Feuchtigkeit bröckelte der Putz von den Wänden. Das Gebäude musste grundlegend saniert werden.

Foto: archiv

Spaziergänger zeigen viel Interesse an dem hübschen Haus, stecken bisweilen ganz offensiv die Nasen ins Fenster - "viele meinen, es sei ein Museum", sagt Follmann. Sie nimmt es gelassen und freut sich, wenn sie auf ihr ungewöhnliches Zuhause angesprochen wird, interessiert sich besonders für die Geschichten ehemaliger Bewohner, die sich gelegentlich zu erkennen geben. Von einem der Vormieter bekam sie den Hinweis, dass es im Garten Zugang zu einem Bunker gebe - den sie dann tatsächlich unter wild wucherndem Efeu entdeckte. Geheimnisvolles Denkmal: "Wenn ich Rillen auf dem Boden oder an alten Türen entdecke, frage ich mich immer, was sich hier wohl über die Jahrhunderte abgespielt hat", sagt Follmann. Gruselig, wie manch einer meint, findet sie das nicht, eher "ziemlich spannend".

 Die Originaltreppe führt ins erste Stockwerk.

Die Originaltreppe führt ins erste Stockwerk.

Foto: blazy

Blick zurück: Ratingen gehörte zum Landgericht "In der Brüggen", so lange es noch ein Dorf war. Erst mit der Stadtwerdung im Jahr 1276 bekam Ratingen ein eigenes Gericht mit umfassender Zuständigkeit, bildete also einen Gerichtsbezirk für sich. Der Name "In der Brüggen" leitet sich aus der Lage des Gerichtsgebäudes ab - errichtet an einer über die Anger führenden Brücke, an der Grenze zur damaligen Gemeinde Eggerscheidt.

Die alte Gerichtsstätte, im 13. Jahrhundert erstmals urkundlich erwähnt, wurde vermutlich um 1790 in ihrer heutigen Gestalt neu errichtet. Auf der Rückseite des Gebäudes ist noch eine Bruchsteinwand als Zeuge früherer Zeiten erhalten geblieben. Alle übrigen Mauern des Hauses bestehen aus Ziegelsteinen, die im Laufe der Zeit weiß verputzt und damit unsichtbar wurden. Genau dieser Putz wurde dem Haus, dessen (nicht allein optischer) Tiefpunkt Mitte der neunziger Jahre erreicht war, zum Verhängnis: Er versiegelte, weil luftundurchlässig, das Mauerwerk und verursachte Feuchtigkeit, woraufhin der Putz bröckelte. Bevor mit der Restaurierung des Baudenkmals begonnen werden konnte, mussten die damaligen Mieter ausziehen, so grundlegend mussten die feuchten Mauern saniert werden - diesmal nach streng denkmalpflegerischen Gesichtspunkten. "Das Haus war in einem äußerst schlechten Zustand. So schlimm hatten wir es uns nicht vorgestellt", sagte seinerzeit Stadtkonservatorin Ria Voss. Der Eigentümer, die Speesche Gutsverwaltung, musste erheblich investieren.

Auch wenn es stadtkonservatorisch sicher interessant war, die ockerfarbenen Ziegelsteine einmal näher in Augenschein zu nehmen - dass es einen neuen Schutzanstrich geben würde, war aus denkmalpflegerischer Sicht klar. Das freundliche Gelb passt auch ganz prima zu den bergisch-grün gestrichenen Fensterläden (typisch für die Region) vor neuen Holzfenstern mit Kreuzsprossen. Auch das Walmdach wurde nach Vorgabe der ursprünglichen Form gedeckt und die Treppe vor dem Hauseingang besteht, ebenso wie die Türeinfassung, aus heimischem Kalkstein.

Ebenfalls nicht angetastet wurde der historische Grundriss des Hauses: Der Flur definiert nach wie vor die Mitte des Erdgeschosses und ins erste Stockwerk geht es über die Originaltreppe. Auch eine alte Zimmertür ist dageblieben - ihrer geringen Höhe wegen ein idealer Eingang ins Kinderzimmer.

Nicht verändert werden darf zudem der weiß gestrichene Holzfußboden, was putztechnisch gesehen natürlich eine echte Herausforderung für einen Haushalt mit Kind, Hund und Katzen ist. Aber auch das sieht Mieterin Anika Follmann gelassen - zumal ihre vielfältigen Dekorationen vor neutralem Untergrund umso besser zur Geltung kommen.

(RP)
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