Rathaus Schaltzentrale aus Stahl und Beton

Düsseldorf · Was wird aus dem Rathaus? Abriss oder Neubau? Über die Zukunft soll in einer Sondersitzung des Rates entschieden werden, einen Termin dazu gibt es allerdings noch nicht. Die RP stöberte im Stadtarchiv nach Quellen, Texten und Bildern. Zeitzeugen stuften den Bau mit einer Nutzfläche von 9000 Quadratmetern als modern, urban und exklusiv ein.

RATINGEN Unter der Überschrift "Prominente Gäste kamen zum Rathaus-Richtfest" berichtete die "Ratinger Zeitung" am 9. September 1972 über das am Tag zuvor stattgefundene Ereignis. Der Artikel hielt fest, dies sei "das größte kommunale Bauwerk der Nachkriegszeit". Landrat Willi Müser, Bürgermeister Ernst Dietrich, Stadtdirektor Dr. Alfred Dahlmann, Ratsherren und Beigeordnete zählten zu den Honoratioren, die staunend zum frischen Betondach hoch blinzelten. Dem Richtfest war eine ganze Reihe langwieriger Vorbereitungen vorausgegangen: Einigen Gebäudeteilen des altehrwürdigen Minoritenklosters drohte schon in den frühen 60er Jahren der Einsturz, als man sich zu einem Neubau entschied. Am 8. November 1960 beschlossen die Stadtverordneten die Errichtung eines neuen Rathauses an der Ecke Hans-Böckler-Straße und Schützenstraße. Schon damals gab es auch Stimmen, die für einen Neubau an der Minoritenstraße plädierten, wie der damalige Archivar Jakob Germes in einer Zusammenfassung des Entscheidungsprozesses festhielt.

Erst acht Jahre später wurde diese Idee verworfen, der Ratsbeschluss aufgehoben. Am 25. Juni 1968 stimmte der Rat für die Lösung an der Minoritenstraße. Baudezernent Kusch, der als "Vater des Rathauses" bezeichnet wurde, galt innerhalb der Stadtverwaltung als treibende Kraft. Die Architekten Jörg Schuler und Ekkehard Jatzlau wurden mit dem Rathaus betraut. Beide hatten schon die Stadthalle, die Berufsschule und einige Volksschulen auf dem heutigen Ratinger Stadtgebiet geplant. Für den Bau verantwortlich war das Bauunternehmen Vössing.

Am 5. Februar 1971 wurde der Grundstein des Rathauses gelegt, dessen Bau mit einem Kostenrahmen von 11,2 Millionen Mark festgelegt wurde. Die Tiefgarage mit 100 Stellplätzen sollte 2,27 Millionen Mark kosten. Der Entwurf des Rathauses wurde allgemein als gelungen und zeitgemäß empfunden. Nach Fertigstellung schrieb die Ratinger Zeitung beispielsweise von einem "architektonisch recht geschickt gestalteten Treppenhaus" im Innern des neuen Gebäudes.

Eine Telefon-Vermittlungsanlage, Tiefgarage, Betonfassaden, die sich aus den Resten der mittelalterlichen Stadtbefestigung emporhoben - das alles galt einem überwiegenden Teil der Zeitgenossen als modern, urban, exklusiv, wenngleich auch etwas gewagt. Der Bau, erstellt in Betonskelettbauweise, umfasste eine Nutzfläche von etwa 9000 Quadratmetern. Zur selben Zeit waren einige markante Ratinger Bauten des Mittelalters der Abrissbirne zum Opfer gefallen. Mit großem Optimismus wollte man auch architektonisch und städteplanerisch in die Zukunft blicken. Die Architektur vieler Schulen, auch des Stadttheaters und der Stadthalle zeugen von dieser futuristischen und zugleich geschichtsvergessenen Aufbruchsstimmung.

Im März 1973 war der Ratstrakt fertiggestellt, im Folgemonat schließlich auch das Hauptgebäude. Am 14. Mai begann der Umzug. Willi Kukuk, Organisationssachbearbeiter des Hauptamtes, war dafür verantwortlich, dass alles so reibungslos wie möglich erfolgte. Schreibtische mussten montiert, Sessel ausgepackt werden. Innerhalb weniger Tage waren bereits 13 von 26 Ämtern der Verwaltung in den Neubau umgezogen. In der Zeitung war zu lesen: "Noch beleben Sägespäne, Kabel, Holzklötze, Zigarettenasche und anderes Abfallmaterial das Bild." Dem "rollstuhlgerechten Nadelfilzteppichboden" stand die erste Belastungsprobe bevor. Fotos zeigen Beamte, die strahlend und lachend ihre Aktenkisten durch die neuen Flure tragen. Der Verwaltungschef, Bürgermeister Ernst Dietrich (1969 bis 1974), und Stadtdirektor Dahlmann bezogen am 6. Juni ihr Quartier.

(RP)
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