Umsatzsteuer für Gemeinden Finanzamt kassiert beim Ehrenamt mit

Ratingen · Egal, ob die Bratwurst beim Pfarrfest verkauft wird oder fairer Kaffee im Eine-Welt-Laden über die Ladentheke geht – künftig kassiert der Staat über die Umsatzsteuer mit. Experte Alexander von der Groeben erklärt, woran das liegt.

 Ab Januar werden Eine-Welt-Läden (hier in Lintorf) rechtlich wie Unternehmen behandelt und müssen Umsatzsteuer abführen.

Ab Januar werden Eine-Welt-Läden (hier in Lintorf) rechtlich wie Unternehmen behandelt und müssen Umsatzsteuer abführen.

Foto: Achim Blazy (abz)

Oftmals ist es schwer genug, Helfer zu finden, die Flohmärkte organisieren oder bei Pfarr- und Vereinsfesten mit anpacken. Um ein paar Euro in die Kasse zu spülen oder Einnahmen für einen guten Zweck zu erzielen, besiegt so mancher Helfer seinen inneren Schweinehund und opfert seine Zeit für den Kaffee- oder Würstchenverkauf. Diesen guten Geistern droht jetzt ein Dämpfer. Durch eine Änderung im Steuerrecht will das Finanzamt nämlich künftig mitkassieren.

Steuerberater Alexander von der Groeben erklärt, worum es geht: „Es gibt eine Gesetzesänderung aus dem Jahr 2015, nach der Kirchengemeinden solche Einnahmen, die nicht im engeren Sinne aus der hoheitlichen Tätigkeit entstehen, grundsätzlich der Umsatzsteuer unterwerfen müssen.“ Wie bei Betrieben auch dürfen Gemeinden die Vorsteuer (also Umsatzsteuer aus Rechnungen, die die Gemeinden bezahlen) dagegen rechnen. Nur der Saldo ist an das Finanzamt abzuführen.

„Bestimmte Tätigkeiten wie Jugendfreizeiten oder Chorveranstaltungen können aber unter bestimmten Bedingungen weiterhin steuerfrei bleiben. Aber Einnahmen aus Warenverkäufen (Eine-Welt-Laden) oder aus Getränkeverkäufen fallen unter das Umsatzsteuer-Gesetz. Das bedeutet dann aber noch nicht, dass tatsächlich Umsatzsteuer anfällt, weil die Kleinunternehmerregelung angewendet werden kann“, so von der Groeben.

„Wir bereiten uns als Kirche natürlich auf dieses Datum vor“, so Thomas Gietz, Verwaltungsleiter im Kirchenkreis Düsseldorf-Mettmann. Doch der gesetzliche Hintergrund ist nur die eine Seite der Medaille. „Das Gesetz sorgt in den Gemeinden durchaus für Ärger“, weiß Gietz. „Vielen Ehrenamtlern, die für einen guten Zweck tätig sind, fehlt dafür schlichtweg das Verständnis. Sie verfolgen mit dem Verkauf von Waren keinerlei Gewinnabsicht.“ Vielmehr werden die Erlöse aus Eintrittsgeldern, Pfarrfesten oder Eine-Welt-Läden meist direkt in soziale Projekte investiert.

Verwaltungstechnisch ist die Umsatzsteuerpflicht für Gemeinden nach Ansicht von Thomas Gietz kein allzu großer Arbeitsaufwand und vermutlich nicht mit höheren Verwaltungskosten verbunden: „Natürlich ist es Mehrarbeit. Aber jede Pommesbude, jedes kleine Unternehmen muss diesen Aufwand auch betreiben.“  Insofern unterscheidet eine Kirchengemeinde künftig nur noch wenig von einem Unternehmen.

Der unternehmerische Aspekt von Gemeinden bleibt vielen Mitgliedern ohnehin verborgen. Das Verwaltungsamt des Kirchenkreises ist Ansprechpartner für rechtliche Angelegenheiten in den bereichen Bau-, Finanz- und Personalverwaltung. „Neben der Verwaltung von Immobilien – zum Beispiel Gemeindezentren –  Vermietungen und Verpachtungen  sind Kitas eines unserer größten Geschäftsfelder“, so Gietz. „Im gesamten Kreis Mettmann beschäftigen wir rund 570 Mitarbeiter, ein großer Teil davon sind Erzieher.“

Eltern müssen jetzt aber nicht fürchten, dass die Kitagebühren für kirchliche Einrichtungen steigen. Der Betrieb von Kindergärten aber auch Beerdigungsdienste sind unterliegen nicht der Umsatzsteuerereglung. Auch Jugendfreizeiten sind ausgenommen, aber: „Für eine Seniorenfreizeit ist ein Aufschlag von 19 Prozent fällig“, so Gietz. Ausnahmen gelten wenn Kirchengemeinden „im Rahmen der öffentlichen Gewalt“ handeln, also einen Friedhof betreiben und dafür Nutzungsgebühren per Satzung festlegen – und wenn der kirchliche Verkündigungsauftrag im Vordergrund steht.

Bei jedem Verkauf aber – sei es die Bratwurst auf dem Pfarrfest oder Kaffee im Eine-Welt-Laden – sind 19 Prozent Umsatzsteuer fällig. Ob die Preise vor Ort steigen werden, kann Thomas Gietz nicht beantworten: „Das obliegt jeder einzelnen Gemeinde. Es wäre aber durchaus möglich.“

Aushebeln lässt sich das Gesetz nicht. Aber Steuerfachmann Alexander von der Groeben kann zumindest ein bisschen Mut machen: „Es gibt Übergangsvorschriften. Ursprünglich endete diese am 31. Dezember 2020. Durch das Corona-Steuerhilfegesetz vom 19. Juni 2020 ist diese Frist bis zum 31. Dezember 2022 verlängert worden. Wer sich bereits auf die bisherige Übergangsregelung berufen hat, für den gilt dann automatisch, dass die neuen Regelungen erst ab dem 1. Januar 2023 anzuwenden sind.“ Gemeinden, die gegenüber dem Finanazamt erklären, dass sie von der Übergangsregelung keinen Gebrauch machen möchten, müssen das neue Recht ab dem 1. Januar 2021 anwenden.

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