Ratingen Straßen sollen an NS-Verfolgte erinnern

Ratingen · Die neuen Straßen im Neubaugebiet Felderhof II in Ratingen West werden nach Opfern der Nazi-Zeit benannt – eine Idee des Heimatvereins.

 Im Haus Marktplatz 12-14 war die Praxis von Hilde Bruch. Das Bild stammt aus dem Stadtarchiv.

Im Haus Marktplatz 12-14 war die Praxis von Hilde Bruch. Das Bild stammt aus dem Stadtarchiv.

Foto: Blazy, Achim (abz)

Bei der Benennung der Straßen im Neubaugebiet Felderhof soll ein Vorschlag des Vereins für Heimatkunde und Heimatpflege Ratingen aus dem Jahre 2016 aufgegriffen werden. Es geht um ein Konzept, bei dem einige Straßen an NS-Verfolgte erinnern. Insgesamt  geht es um bis zu acht neue Straßennamen. Die Vorschläge liegen nun vor.

Archivleiterin Dr. Erika Münster-Schröer hat unterschiedliche Menschen gefunden, die zum Beispiel von den Nazis umgebracht wurden (Karlrobert Kreiten) oder eben auch überlebt haben (Otto Pankok); Menschen, die aktiv für die Verfolgung und Erinnerung gekämpft haben (H. Arendt) oder deren Schicksal besonders anrührend ist (Hilde Coppi). Die Geschichte von Else Rouge hat die Rheinische Post recherchiert. Hier nun Namen und Geschichte:

 Kinderärztin Hilde Bruch wanderte 1933 in die USA aus.

Kinderärztin Hilde Bruch wanderte 1933 in die USA aus.

Foto: Blazy, Achim (abz)

Fritz Bauer, geboren 1901 in Stuttgart als Sohn jüdischer Eltern, gestorben 1968 in Frankfurt am Main, hat sich politisch engagiert. Er wurde von den Nationalsozialisten verfolgt und zeitweise in einem Konzentrationslager inhaftiert. Sein Verdienst ist es, dass 1963 vor dem Landgericht Frankfurt der Auschwitz-Prozess eröffnet werden konnte.

 Heute sieht es am Marktplatz so aus.

Heute sieht es am Marktplatz so aus.

Foto: Blazy, Achim (abz)

Josef Schiffer, geboren 1914, starb im Jahr 2011 und lebte zuletzt in Lintorf. Er hat als Oberfeldwebel der Wehrmacht im Jahr 1944 das Dorf Pallerone in der Toskana vor der Zerstörung bewahrt. Schon zuvor hatte er die Dorfbewohner in jeder Hinsicht unterstützt. Nach der Kapitulation im April 1945 sollte er von italienischen Partisanen erschossen werden. Zwei Dorfbewohner berichteten jedoch von seinen mutigen Taten.

Die Sozialdemokratin Marie Juchacz, 1879 in Landsberg an der Warthe geboren, durfte am 19. Februar 1919 als erste Frau nach der Einführung des Frauenwahlrechts in Deutschland in der Weimarer Nationalversammlung das Wort ergreifen. Am 13. Dezember 1919 gründete Marie Juchacz die Arbeiterwohlfahrt, auch Awo genannt.

Hilde Bruch, jüdische Kinderärztin, geboren 1906 in Dülken, eröffnete eine Kinderarztpraxis im Oktober 1932 in Ratingen. Sie war weit und breit die einzige Kinderärztin. Ihre Praxis am Marktplatz wurde schon seit April 1933 durch die Nationalsozialisten boykottiert. Sie wanderte noch im selben Jahr in die USA aus.

Hanna Arendt wurde 1906 in Linden (heute Hannover) in einem säkular-jüdischen Elternhaus geboren. Sie studierte Philosophie in Marburg und Freiburg und publizierte später zahlreiche philosophische und politische Schriften, die sich auch mit dem Zionismus befassten. Sie war von Beginn an eine Gegnerin des NS-Regimes und flüchtete 1933 nach Paris und von dort später über Lissabon nach New York. 1961 war sie Prozessbeobachterin und Reporterin im Prozess gegen Adolf Eichmann in Jerusalem, der einer der Hauptverantwortlichen für die Vernichtung der Juden war.

Hilde Coppi, geb. Rake, wurde 1909 in Berlin geboren. Sie arbeitete als Sachbearbeiterin in der Reichsversicherungsanstalt für Angestellte. Sie hatte Kontakt zu Widerstandskreisen der KPD. Hilde Coppi wurde, wie ihr Mann, im Herbst 1942 von der Gestapo verhaftet und zum Tode verurteilt. Sie war zu diesem Zeitpunkt hochschwanger und brachte im November 1942 im Gefängnis einen Sohn zur Welt. Während ihr Mann und die meisten anderen Mitglieder der Gruppe bereits am 22. Januar 1942 hingerichtet wurden, brachte man Hilde Coppi mit dem kleinen Sohn in das Berliner Frauengefängnis Barnim, wo sie ihn bis zur Hinrichtung noch ein halbes Jahr betreuen konnte.

Karlrobert Kreiten, 1906 in Bonn geboren, wuchs in Düsseldorf auf. Er war schon in jungen Jahren ein außerordentlicher Pianist. Er wurde vor dem Volksgerichtshof unter Roland Freisler zum Tode verurteilt und am 7. September 1943 in Berlin-Plötzensee hingerichtet.

Else Rouge wurde 1908 in Düsseldorf unter dem Namen Romberg geboren. Sie versteckte das jüdische Ehepaar Arthur und Hedwig Berg aus Essen in ihrem Haus in Hösel. Sie arbeitete dort im Café Müller. Von Herbst 1944 bis zum Kriegsende im April 1945 konnte das Ehepaar Berg dort versteckt überleben. Else Rouge war dem Ehepaar Berg zufällig im Herbst 1944 im Wald begegnet. Das Ehepaar suchte Schutz vor der Gestapo. Else Rouge wurde 1978 von der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem als „Gerechte unter den Völkern“ geehrt. Sie starb 1979 in Immenstadt/Bodensee, wohin sie mit ihrer Familie 1971 verzogen war. Ihre Ehrung wurde durch die Überlebende Hedwig Berg initiiert.

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