Ratingen Ein Plädoyer für eine ortsnahe Kultur
Ratingen · Immer mal wieder wurden Stimmen laut, das Ratinger Kulturbudget zu entlasten, indem Busfahrten zu Kultureignissen in den Nachbarstädten gesponsert werden sollten. Ratingen hält an seiner Kultur fest.
Ratingen ist umgeben von den großen Kulturzentren Nordrhein-Westfalens. Die Oper in Düsseldorf, die Philharmonie in Köln, das Grillo-Theater und das Folkwang Museum in Essen oder der Skulpturenpark Waldfrieden in Wuppertal sind von Ratingen aus in maximal einer Stunde erreichbar. Es ist daher kein Wunder, dass es immer wieder Stimmen in Ratingen gibt, die vorschlagen, zur Einsparung des Kulturetats Mittel für Busfahrten von Ratingen zu den großen Kulturereignissen in der Umgebung einzusetzen und bei den städtischen kulturellen Einrichtungen zu sparen. Die Argumentation ist: Hochkultur für Ratinger Bürger und Entlastung des Kulturbudgets.
Gott sei Dank hat sich die Ratinger Politik diese Vorschläge nicht zu eigen gemacht. Im Gegenteil: Ratingen nutzt sein Nischendasein aus und punktet mit Vielfalt und Ortsnähe der Kulturangebote. Neben dem Theater am Europaring, dem Museum in der Grabenstraße oder dem Ferdinand-Trimborn-Konzertsaal in der Poststraße gibt es in Ratingen zahlreiche Spielorte wie die Naturbühne am Blauen See mit seinen Kinderstücken, das „Tragödchen“ im Buchladen mit Text und Gesang, die Zeltzeit in Ratingen West mit namhaften Kabarettisten oder den heimischen Westhäkchen, die Wasserburg Haus zum Haus, wo sich junge Musiker der Clara-Schumann Musikhochschule in Düsseldorf einfinden oder das Haus Oberschlesien in Hösel, in dem vom Kulturkreis Hösel regelmäßig Konzerte und Vorträge organisiert werden. Überall dort wird Kultur vor Ort angeboten. Es sind Alleinstellungsmerkmale für Ratingen.
Warum ist lokale Kultur für eine Stadt so wichtig? Es ist unbestritten, dass die Kultur in einer Stadt zu den sogenannten weichen Standortfaktoren bei der Ansiedlung von Unternehmen zählt. Außerdem sprechen drei weitere Gründe für eine dezentrale Kultur: 1. Viele Kulturinteressierte wollen die Kultur nicht fernab in der Metropole, sondern am liebsten in der Nähe vor ihrer Haustür haben 2. Neben dem Kulturgenuss gehört auch der geistige Austausch über das gemeinsam Erlebte zu einem kulturellen Ereignis und das am besten mit Freunden oder Nachbarn. 3. Kulturangebote sollten für jedermann erschwinglich sein. Das ist am ehesten in der Nähe und in der Nische möglich.
In der Zeit der Pandemie stand das Kulturleben praktisch überall still. Nach einer Zeit der Schockstarre wurden die Stimmen immer lauter, die finanzielle Hilfen für die Kultur als essenziell für eine Gesellschaft gefordert haben. Diese Stimmen fanden zunehmend Gehör. So haben auch der Bund und die Länder Milliarden Euro für Solokünstler, Kulturvereine und Kultureinrichtungen zur Verfügung gestellt. Auch die Stadt Ratingen hat Coronahilfen für Ratinger Vereine beschlossen und ausgezahlt. Dies alles in der Erkenntnis: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Was die Kultur oder ihre Abwesenheit für eine Gesellschaft bedeutet, haben die Lockdowns in der Pandemie deutlich gezeigt. Man spürt nun die Erleichterung, dass es langsam auch kulturell wieder aufwärts geht.