Die Wolf-von-Niebelschütz-Promenade erinnert an eine alte Dampfbahn und einen Höseler Dichter. „Feuriger Elias“ dampfte durch Hösel

Hösel · 800 Jahre Hösel: Die Wolf-von-Niebelschütz-Promenade erinnert an eine alte Dampfbahn und einen Höseler Dichter.

 Ein ganzes Dorf jubelte, als am 30. Oktober 1899 die  erste Dampflok in Hösel einfuhr: Der „Püffer“ oder auch „Feuriger Elias“ genannte Zug verband Hösel mit Velbert.

Ein ganzes Dorf jubelte, als am 30. Oktober 1899 die erste Dampflok in Hösel einfuhr: Der „Püffer“ oder auch „Feuriger Elias“ genannte Zug verband Hösel mit Velbert.

Foto: RP/RP Archiv

Wer aufmerksam über die Wolf-von-Niebelschütz-Promenade wandelt, wird sie unter viel Moos entdecken: uralte hölzerne Bahnschwellen, die den Weg als Einfassung säumen. Es sind Überbleibsel einer ehemaligen Bahnstrecke. Von 1899 bis 1923 verkehrte eine Dampfbahn zwischen Hösel und Heiligenhaus. Bis heute erinnert die Wolf-von-Niebelschütz-Promenade, der einstige Schienendamm, an jene Lok, die liebevoll „Püffer“ genannt wurde – aber auch an einen Höseler Dichter.

Wer war Wolf Friedrich Magnus von Niebelschütz, der 1913 in Berlin geboren wurde und 1960, im Alter von nur 47 Jahren in Hösel starb? Er war ein ein Dichter, Romancier und Essayist. Der Sohn eines Redakteurs trat nach dem Geschichsstudium in Wien in die Fußstapfen seine Vaters und arbeitete dann als Redakteur bei der Magdeburgischen Zeitung und der Rheinisch-Westfälischen Zeitung. 1937 verlor er seinen Posten als Redakteur bei der Magdeburgischen Zeitung aufgrund „politischer Unzuverlässigkeit“.

 Die Wolf-von-Niebelschütz-Promenade in Hösel erinnert an die ehemalige Eisenbahntrasse und den bekannten Dichter.

Die Wolf-von-Niebelschütz-Promenade in Hösel erinnert an die ehemalige Eisenbahntrasse und den bekannten Dichter.

Foto: RP/NN

Nach dem Zweiten Weltkrieg, an dem er als Soldat teilnahm, betätigte er sich als freier Schriftsteller. Neben Biographien und Festschriften für die Industrie schrieb Niebelschütz zwei große Romane, Gedichte, Dramen und Essays, heißt es bei Wikipedia. 1952 erhielt er den „Immerman-Preis“ der Stadt Düsseldorf, 1959 veröffentlichte er seinen monumentalen Ritterroman Die Kinder der Finsternis.

Vergessen ist Niebelschütz bei den Literaten nicht: Bei einem Niebelschütz-Abend des Kulturkreises Hösel vor einigen Jahren bezeichnete der Germanist Detlev Haferland seinen Kollegen als einen „der Meister der deutschen Sprache im 20. Jahrhundert, seiner „Fabulierlust“ und „zeitlos-abstrakten Ästhetik“ wegen. An dem Abend wurde auch der Romanzyklus „Der Blaue Kammerherr“ vorgestellt. Niebelschütz schrieb ihn nachts während seiner Zeit als Unteroffizier der Luftwaffe in Paris. Es ist eine höchst verwickelte, im 18. Jahrhundert angesiedelte Geschichte um Hof- und Staatsaktionen rund um die Verehelichung der Erbprinzessin Danae und das ägäische Königreich Myrrha. Nicht Schriftsteller, sondern Dichter wollte er sein, heiter und leichtfüßig, eloquent, ironisch, überzeitlich.

An seine Zeit in Paris erinnerte der Zeichner Rolf Escher mit einer Ausstellung „Auf den Spuren von Niebelschütz in Paris“ im Oktogon des Oberschlesischen Landesmuseums im Jahre 2010.

Dauerhaft erinnert seit vielen Jahren die alte Bahntrasse an den Höseler Literaten. Anno 1899 schnaubte die erste Dampflok durch Hösel. Sie war schwarz wie Kohlenstaub. Ein Koloss, der 24 Jahre lang ordentlich angeheizt werden musste, wenn er die Steigung nach Heiligenhaus hinauf wollte. Jedes Mal schnaubte er enorm, und Funken flogen, die der Bahn den Spitznamen „feuriger Elias“ und auch „Püffer“ eintrugen. Er war das spektakulärste Gefährt, das die beiden Orte je verband.

„Kleinbahn“ war die offizielle Typbezeichnung des Zugs, weil seine Schienen eine Spurbreite von nur einem Meter hatten. Zum Fuhrpark aber gehörten fünf Dampflokomotiven, acht Personenwagen, 17 offene und sieben geschlossene Güterwagen. Sie warteten hinter dem heutigen Rathaus in Heiligenhaus auf ihren Einsatz. Zehnmal pro Tag fuhr der feurige Elias hin und her. Er holte Kohlen, Koks, Formsand und Düngemittel in Hösel ab und brachte auf dem Rückweg Fertigwaren der Schloss- und Beschlagindustrie mit. Die Bahn war der ganze Stolz der Bürger und Ziel von Lausbubenstreichen. Nicht selten verhinderte Schmierseife auf den Schienen ein standesgemäßes Fortkommen.

Vor dieser Bahn gab es nichts dergleichen. Heiligenhaus und seine aufblühende Kleinindustrie konnte nur auf dem Landweg erreicht werden. Pferdewagen transportierten mühsam Eisen, Koks und Stahl sowie die Fertigprodukte ab. Um konkurrenzfähig zu bleiben, mühte sich die Stadt mit viel Ehrgeiz um einen Anschluss an Hösel.

Denn das Dorf mit damals weniger als 1000 Einwohnern hatte seit dem 1. Februar 1872 eine Eisenbahnstation der Strecke Düsseldorf-Ratingen-Essen. Das Unternehmen „Bergische Kleinbahnen“ ließ die Strecke bauen, aber mit massiven technischen Schwierigkeiten. Denn die Steigungen an der Höseler Bahnhofstraße schienen so beträchtlich, dass die Düsseldorfer Regierung einen Zahnradbetrieb vorschlug. „Zu teuer“, sagten die Bergischen Kleinbahner. Lieber nahmen sie 680 Meter Umweg in Kauf.

Der „feurige Elias“ erhielt eine Trasse, die von der Bahnhofstraße in die Kohlstraße abbog und an der Ecke Rodenwald auf die Wolf-von-Niebelschütz-Promenade führte. Hösel begnügte sich damals übrigens mit vier Haltepunkten, während die Heiligenhauser zwischen „Keller“ und Rathaus sieben Stopps beantragten. Dort stiegen sie zu, um einen Ausflug ins Grüne zu machen. Am 22. Januar 1923 rollte der „Püffer“, so hieß er inzwischen liebevoll, zum letzten Mal aus Hösel raus. Er hatte sich tief in die roten Zahlen gefahren.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort