Stadtgeschichte Lintorf war einst eine Bergbaustadt

Straßennamen wie „Zechenweg“, „Bleibergweg“, „Schacht-Georg-Weg“ oder „Friedrichsglück“ erinnern an die große Vergangenheit.

 Die stolze Belegschaft des Broekmanschachtes, aufgenommen um 1900. Im Hintergrund ist das Maschinenhaus zu erkennen.

Die stolze Belegschaft des Broekmanschachtes, aufgenommen um 1900. Im Hintergrund ist das Maschinenhaus zu erkennen.

Foto: RP/Archiv VLH

Von A wie Alaun über Blei-Erz, Kupfer- und Schwefelkies sowie Vitriol bis hin zu Z wie Zinkblende, in Lintorf wurde bis Anfang des 20. Jahrhunderts einiges an Bodenschätzen abgebaut. Und in der kleinen Gemeinde profitierten nicht nur Bergleute, sondern auch Holzhändler, Fuhrunternehmer, Schmiede und Gastwirte davon.

Die Bodenschätze gingen damals per Kutschfuhrwerk in die Industriebetriebe der Umgebung oder die heimische Töpferei-Produktion. Ab 1874 hatte Lintorf sogar eine eigene Bahnstation, die den Abtransport erleichterte. Vier Jahre später kam als damals technische Sensation eine Drahtseilbahn hinzu. „Sie verband den Bahnhof mit dem Gelände der Zeche Friedrichsglück an der Rehhecke. Da sie nach mehr als 20-jähriger Betriebszeit viele Reparaturen erforderte, wurde sie durch eine Kleinbahn, die sogenannte Tingelbahn ersetzt, die 1900 zunächst bis zum Broekmanschacht, ein Jahr später aber weiter bis zu den Gewerkschaften Adler und Fürstenberg gebaut wurde“, weiß Dietmar Falhs vom Lintorfer Heimatverein zu berichten. Noch heute sind Reste der damaligen Trasse zu sehen.

Die Geschichte des Lintorfer Bergbaus geht zurück bis ins 16. Jahrhundert. 1565 wurde erstmalig nach Blei gegraben, 1738 gab es bereits eine gut funktionierende Schmelzhütte. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts hielt die Industrialisierung langsam Einzug in der Gemarkung Lintorf. Holländer betrieben die Zeche „Friedrichs-Glück“, die Schacht-Anlage „Broekman“ entsteht, und es etablieren sich unter anderem die Schächte „Georg“, „Heinrich“ und „Loman“.

Und vielleicht wäre Lintorf zu einer weiteren Bergbaumetropole im Ruhrgebiet geworden, wären da nicht die Probleme mit dem Grundwasser gewesen. Bodenschätze waren genügend vorhanden, und die Maschinen waren technisch auch auf dem aktuellen Stand. So stand in Lintorf beispielsweise im Jahre 1753 die im deutschsprachigen Raum erste wirklich brauchbare Dampfmaschine, mit der versucht wurde, die Schachtanlagen trocken zu halten. Sie sicherte Lintorf einen Platz in der Geschichte der rheinischen Industrie und Technik.

Doch leider rentierte sich der Bergbau im Laufe der Zeit nicht mehr, da wegen des hohen Grundwasservorkommens die Arbeiten im Lintorfer Bergbau stark erschwert wurden und immer wieder zum Stillstand zwangen. Man verbrauchte mehr Energie und Geld, um die Schächte trocken zu pumpen, als man an Erz zu Tage förderte. Im April 1891 hatte sich der Bergrat Köhler in einem Bericht an die holländischen Geldgeber noch sehr optimistisch über das Lintorfer Unternehmen geäußert. Doch diese verweigerten bald alle weiteren Geldmittel, da sich in Amsterdam mit der Zeit das Gerücht „man müsse in Lintorf den Rhein auspumpen, um an die Erze zu gelangen“ verbreitete.

Fünf Jahre blieben die Lintorfer Gruben außer Betrieb. 1897 wurde unter Leitung des bisherigen Direktors der Selbecker Erzbergwerke Rudolf Landgraf der Betrieb wieder aufgenommen, da sich die Lage auf dem deutschen Erzmarkt besserte und Köhler ein neues Gutachten vorlegte.

„Aber auch Landgraf konnte den Untergang des Lintorfer Bleibergwerks nicht aufhalten, und die ersten drei Jahre unseres Jahrhunderts sollten die letzten des mit soviel Hoffnung, Anstrengung und finanziellen Opfern betriebenen Unternehmens sein“, schrieb Theo Vollmert in dem vom Lintorfer Heimatverein herausgegebenen Buch „Lintorf – Berichte, Bilder, Dokumente – 1815-1974“.

1902 wurde nämlich auf der Versammlung der „Gewerkschaft Lintorfer Erzbergwerke“ beschlossen, den Bergbau endgültig einzustellen. Die Anlagen wurden demontiert und 1932 der Schornstein niedergebracht. Seine Steine wurden für den Bau eines Vereinshaus auf dem Sportplatz verwendet. 1968 verschwand nach einem Brand dann auch das Maschinenhaus des alten Broekman-Schachtes.

Da seinerzeitig lediglich die Förderschächte zugeschüttet wurden und die unterirdischen Gänge heute noch existieren, gibt es noch immer viele Hohlräume unter Lintorf und der Umgebung. Und so manch eine Schachtabdeckung brach in der Vergangenheit auch schon einmal ein, wie beispielsweise im Jahre 1994 auf dem Parkplatz vor den Häusern auf der Broekmanstraße. Hier hatte sich das Erdreich abgesenkt, weil sich durch den enormen Druck des Grundwassers hölzerne Stützbalken eines stillgelegten Schachtes im Laufe der Zeit verbogen hatten. Die weiche Tonschicht, die als Deckel auf den Schacht gesetzt worden war, erwies sich als nicht widerstandsfähig genug und gab nach.

 Das Maschinenhaus des Broekman-Schachtes im Jahre 1922: Die Kleinbahn verband andere Zechen und führte zur Eisenbahnstation.

Das Maschinenhaus des Broekman-Schachtes im Jahre 1922: Die Kleinbahn verband andere Zechen und führte zur Eisenbahnstation.

Foto: RP/Archiv Verein Lintorfer Heimatfreunde (VLH)
 Rückblick in die Geschichte: Der letzte Schornstein wurde im Jahr 1932 gesprengt.

Rückblick in die Geschichte: Der letzte Schornstein wurde im Jahr 1932 gesprengt.

Foto: RP/Archiv Verein Lintorfer Heimatfreunde (VLH)
 Alte Zeiten: Hier ist der Zechenplatz vom Broeckman-Schacht im Jahre 1930 zu sehen.

Alte Zeiten: Hier ist der Zechenplatz vom Broeckman-Schacht im Jahre 1930 zu sehen.

Foto: RP/Archiv Verein Lintorfer Heimatfreunde (VLH)
 In Breitscheid, an der Straße An der Hoffnung, tat sich 2011 ein ehemaliger Schacht auf. Das Loch wurde verfüllt.

In Breitscheid, an der Straße An der Hoffnung, tat sich 2011 ein ehemaliger Schacht auf. Das Loch wurde verfüllt.

Foto: Blazy, Achim (abz)
 Die stolze Belegschaft des Broekmanschachtes, aufgenommen um 1900. Im Hintergrund ist das Maschinenhaus zu erkennen.

Die stolze Belegschaft des Broekmanschachtes, aufgenommen um 1900. Im Hintergrund ist das Maschinenhaus zu erkennen.

Foto: RP/Archiv VLH

Oder 2011, als auf der Straße „An der Hoffnung“ in Breitscheid eine gemauerte und mit Stahlträgern bewehrte Deckel-Konstruktion eingestürzt war, das darüber liegende Erdreich nachsackte und die Überreste eines wohl 100 Jahre alten Schachts freigelegt wurden. „Dieser gehörte allerdings zum Erzbaugebiet Selbeck und nicht zu den Gangspalten von Lintorf“, erklärte Michael Lumer vom Ratinger Heimatverein.

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