Diskussion um Schul-Statistiken Mit 1,0 im Abi stehen alle Türen offen

Ratingen/Heiligenhaus · An NRW-Gymnasien ist der Anteil der „Einser-Abiturienten“ in den vergangenen Jahren um 7,5 Prozent gestiegen. Erklärungsversuche vor Ort.

 Lena Böger erreichte im Sommer die Abi-Traumnote 1,0 am IKG in Heiligenhaus. Im Herbst beginnt sie ihr Jurastudium.

Lena Böger erreichte im Sommer die Abi-Traumnote 1,0 am IKG in Heiligenhaus. Im Herbst beginnt sie ihr Jurastudium.

Foto: Fries, Stefan (frs)

„Ich habe einfach mein Bestes gegeben. Rechnerei um Punkte war nicht nötig, nur beim vorletzten Zeugnis habe ich mal geschaut, wie sich mein Abi-Schnitt gestalten könnte.“ Das sagt Lena Böger. Sie steuert nach einem „1,0-Abitur“ am Kant-Gymnasium in Heiligenhaus auf ein Jurastudium in Düsseldorf zu. Start ist im Oktober. Abitur und Statistik – das sind für sie zwei Dinge, die nicht vorderhand zusammengehören. Aber an ihrer ehemaligen Schule hat man die Zahlen präzise im Blick – jahrgangsweise und über lange Zeiträume.

Für den Abi-Jahrgang 2019 sagt die IKG-Statistik aus: zweimal 1,0. 34,4 Prozent der Abgänger schafften einen „Einser-Schnitt“. Das ist bei letzteren tatsächlich eine signifikante Steigerung zum Vorjahr (25,3 Prozent) und zum Jahrgang 2017, in dem 23,2 Prozent der IKG-Absolventen ein solches Top-Ergebnis erzielten. David Kohlen, Statistiker der Schule, ordnet das Ergebnis ein: „Im Mittel über neun Jahre ändert sich bei den Top-Abiturienten nichts Dramatisches.“ Die für ihn erstaunlichste Linie in der langjährigen Buchführung ist, streng betrachtet, fast eine Gerade: Seit 2011 pendelt die Abi-Durchschnittssnote am IKG etwa bei 2,3. Das heißt: Mehr Einser-Abis bedeuten nicht, dass es gute Noten geschenkt gäbe. Im Gegenteil. Kohlen kommentiert: „Wenn jetzt von Einser-Abi-Inflation die Rede ist, dann entwertet das auch ein Stück weit die Leistung der einzelnen Schüler.“ Schulleiterin Britta Berschick sieht es so: „Die entscheidenden Faktoren sind Begabung, Leistungswille und -fähigkeit und die pädagogische Leistung.“ Deshalb sei der Blick auf die Statistik auch keine Frage der Werbewirksamkeit nach außen, sondern eine der Qualitätssicherung in der Schule. „Natürlich haben wir auch das landesweite Ranking im Blick, es interessiert uns“, so Berschick.

Ein weiterer interessanter Punkt: Ob Abi nach acht oder neun Jahren, das habe rein statistisch keine großen Auffälligkeiten gehabt. Es sei denn, man bewertet die singuläre Tatsache so, dass es im ersten „G8-Abi“ am IKG – also in 2014 – keinmal den Top-Schnitt von 1,0 gegeben hat.

„Wichtig sind für uns vor allem Rückmeldungen von Schülern, die ins Studium gehen“, sagt Berschick. „Und es ist schon so, dass die Schüler nach neun Jahren am Ende reifer sind als nach acht Jahren Gymnasialzeit.“ Kohlen erkennt eine gewisse Unwucht, die allerdings weit über Schulstatistisches hinausgeht: „Abiaufgaben und der Start in naturwissenschaftlich-technische Studiengänge passen nicht unbedingt zusammen“, so die Erfahrung.

Eine mögliche Erklärung für das statistische Plus bei den Top-Abis gibt Schulleiter Hagen Bastian vom Otto-Hahn Gymnasium in Monheim, bezogen auf den ganzen Kreis Mettmann. „Hier herrschen doch an den meisten Schulen gute Rahmenbedingungen, deswegen schneiden die Schüler auch gut ab.“ Außerdem bestätigt er den Eindruck anderer Schulleiter, wonach die Schüler heute zielstrebiger sind als frühere Generationen: „Noch sind wir ja im G8. Da haben sich ohnehin eher die guten Schüler fürs Gymnasium und die schwächeren für die Gesamtschule entschieden.“

Unabhängig von aller Zahlen-Exegese wird Lena Böger sich mit dem Start ins Jurastudium einen Wunsch erfüllen. „Schon in der neunten Klasse habe ich ein Praktikum bei einem Sozialgericht gemacht, nach dem Abi eines in einer Anwaltskanzlei.“ Und ihre Eindrücke? „Ganz einfach. Es begeistert einen.“

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