RATINGEN Wie der Erste Weltkrieg weiter wirkt

RATINGEN · Martina Peitz-Fabing und das Buch „ Die Freunde von Gegenüber“. Ein Stück deutsch-französischer Geschichte.

 Das Buch „ Die Freunde von Gegenüber“ handelt von Großvätern und der Freundschaft mitten im Krieg. Bild: aus 1915, Leon Pommiès , links sitzend in der Nähe von Vendresse.

Das Buch „ Die Freunde von Gegenüber“ handelt von Großvätern und der Freundschaft mitten im Krieg. Bild: aus 1915, Leon Pommiès , links sitzend in der Nähe von Vendresse.

Foto: Blazy, Achim (abz)

Wer kennt ihn nicht, den Spruch: „Das sollte man wirklich mal aufschreiben, damit es für Kinder und Kindeskinder nicht verloren geht.“ Wie oft wird es dann gemacht? Wie oft vor allem bleibt es einfach mal bei dem Spruch. Nun liegt eine Schrift vor, die vornehmlich Geschehnisse aus dem Ersten Weltkrieg beschreibt, gleichermaßen aber auch Zeugnis gibt von einer rund hundert Jahre währenden Freundschaft zwischen ehemaligen Soldaten aus Frankreich und aus Ratingen und Ihren Familien.

Geschrieben hat das Buch Dominique Delluc, der Enkel des einst betroffenen Leon Pommiès. Und aus dem Französischen übersetzt wurde die Schrift von Martina Peitz-Fabing, der Enkelin von Carl Peitz, um den es auf deutscher Seite ging. Mitgemischt hat auch Erik Kleine Vennekate vom Stadtarchiv Ratingen, der beim Entziffern alter Schrift geholfen sowie persönliche Dokumente der Familie Peitz aufgespürt hat. Auf französischer Seite halfen unter anderem der Regionalrat von Hauts-de-France und das Archiv des Départements Aisne und natürlich die betroffenen Familien.

Im Vorwort heißt es: „Dieses Buch ist ein wertvolles Zeugnis eines außergewöhnlichen Abenteuers: Männer, die im Ersten Weltkrieg ihre Waffen niedergelegt haben, um die gegnerischen Soldatenim gegenüberliegenden Schützengraben anzusprechen. Sie haben sich nicht damit zufrieden gegeben, sich die Hände zu schütteln und Zigaretten auszutauschen, sondern haben den Grundstein gelegt für eine lebenslange Freundschaft, die durch ihre Nachfahren auch noch 100 Jahre später andauert.

Glücklicherweise haben diese Männer und ihre Familien zahlreiche Dokumente, Briefe und Fotografien aufbewahrt, die es heute möglich machen, ihre Geschichte zu erzählen.“ Wenn man die Flut von Handy-Bildern bedenkt, die heutzutage unbeschriftet die Speicherkarten zumüllen, und schon nach wenigen Wochen nicht mehr zuzuordnen sind, kann man erst recht die dokumentarische Leistung der Familien schätzen.

Als die Geschichte beginnt, lagen sich die Soldaten schon seit sieben Monaten gegenüber: Die der 9. Kompanie des 144. Infanterieregiments aus Bordeaux und die Jäger der 4.Kompanie des 7. Jägerbataillons der Reserve aus Bückeburg. Es ist nicht wirklich viel los – wenn man das überhaupt von Kriegstagen sagen darf -, doch die jungen Burschen, die da für ihre Vaterländer rekrutiert worden sind, leiden unter einem elenden Leben auf engstem Raum, schlechtem Wetter, Schlamm, Gestank, Dreck, Ungeziefer, Angst und vor allem unter der Trennung von ihren Familien.

Und mitten in dieser Tristesse riskieren sie Aktionen, auf denen als Strafe Erschießen steht. Sie begrüßen sich, geben sich die Hand, singen zusammen (und zwar die Nationalhymne der jeweils anderen). Und die Soldaten beider Seiten machen in Briefen an ihre Familien über die Fraternisierung keinen Hehl – bitten zu Hause aber um diskrete Behandlung des Themas.

Wunderbar sind die Portraits der jungen Männer Carl Gottfried Peitz und Leon Pommiès. Bei Peitz steht, dass er am 26. Februar 1892 in Breitscheid als Kind der Eltern Heinrich und Karoline Peitz geboren wird, die 1898 einen weiteren Sohn bekommen. „Carl, der gesellige, blonde, heitere Junge mit blauen Augen ist ehrgeizig und pflichtbewusst und absolviert ab 1909 eine Kaufmannslehre in Rheydt, wo auch ein gewisser Joseph Goebbels, 1897 geboren, zur Schule geht.“ Joseph Goebbels wiederum war ein „arroganter, prätentiöser Schüler – so aggressiv, dass Carl ihn eines Tages ohrfeigte.“

Léon Pommiès wiederum, den er später als Freund gewinnt, sei gut aussehend gewesen, 172 Zentimeter lang, mit hellbraunen Haaren und blauen Augen, „den die Frauen sehr attraktiv. finden.“

 In zwei Familien ist Geschichte lebendig geblieben: Martina Peitz-Fabing übersetzte das  Buch „ Die Freunde von Gegenüber“. Das Buch handelt von ihrem Großvater und der Freundschaft zu einem französischen Soldaten, mit dessen Familie heute noch Kontakt besteht.

In zwei Familien ist Geschichte lebendig geblieben: Martina Peitz-Fabing übersetzte das  Buch „ Die Freunde von Gegenüber“. Das Buch handelt von ihrem Großvater und der Freundschaft zu einem französischen Soldaten, mit dessen Familie heute noch Kontakt besteht.

Foto: Blazy, Achim (abz)
 Martina Peitz-Fabing übersetzte das Buch „ Die Freunde von Gegenüber“. Es dokumentiert auf besondere Art ein deutsch-französisches Jahrhundert aus der Perspektive privaten Erlebens. Am Beginn stand die Urktastrophe des 20. Jahrhunderts – der Erste Weltkrieg.

Martina Peitz-Fabing übersetzte das Buch „ Die Freunde von Gegenüber“. Es dokumentiert auf besondere Art ein deutsch-französisches Jahrhundert aus der Perspektive privaten Erlebens. Am Beginn stand die Urktastrophe des 20. Jahrhunderts – der Erste Weltkrieg.

Foto: Blazy, Achim (abz)
 Die Freundschaft zwischen der deutschen und der französischen  Familie besteht bis heute. Nicht zuletzt das Buch legt davon Zeugnis ab.

Die Freundschaft zwischen der deutschen und der französischen  Familie besteht bis heute. Nicht zuletzt das Buch legt davon Zeugnis ab.

Foto: Blazy, Achim (abz)

Kriegsereignisse, Zwänge – alles ist geschildert. Auch die glückhafte Zeit nach dem Krieg, als sich Léon für den Segelflug interessiert und Carl Peitz eine Ausbildung in der Metallindustrie macht, 1920 Agathe Wulf heiratet, mit ihr 1921 Zwillinge bekommt, zunächst auf der Graf-Adolf-Straße, später auf der Hochstraße wohnt. Aber auch das Versprechen, sich wiederzusehen, ist im Buch festgehalten. Und der Schwur, niemals Söhne zu bekommen. Das erste Treffen findet also 1936 statt. Und viele folgen – mal in Ratingen, mal in Frankreich.

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