Ratingen Die Grünen legen bei Europawahl mächtig zu

Ratingen · Verluste bei der CDU, aber vor allem bei der SPD: Die Liberalen und die AfD haben Stimmen-Zuwächse. Wahlbeteiligung: 65,6 Prozent.

 Wählen gehen bei Edeka Kels in  Ratingen Ost.

Wählen gehen bei Edeka Kels in Ratingen Ost.

Foto: Blazy, Achim (abz)

Es war eine Wahl, die es wirklich in sich hatte: Es gab deutliche Verluste für die CDU und vor allem für die SPD, die Grünen starteten durch mit einem überragenden Ergebnis, die AfD legte zu, ebenso die FDP, die laut Parteichefin Tina Pannes zufrieden sein kann, auch wenn „wir uns insgeheim mehr erhofft hatten“. Man habe einen deutlichen Zugewinn bei einer erfreulich hohen Wahlbeteiligung verzeichnen können, analysierte die Politikerin.

CDU-Vorsitzender Patrick Anders wollte seine Enttäuschung nicht verhehlen, man habe deutlich mehr Potenzial, gerade in Ratingen. Insgesamt schlage der bundesweite Trend durch. Man werde die Ergebnisse in Ruhe bei einem Vorstandstreffen Anfang Juni analysieren. Dass die AfD zugelegt habe, bestürze ihn, bekannte der Politiker ganz offen.

Die Grünen feierten unterdessen recht ausgelassen im Ratinger Brauhaus – und staunten immer wieder über die aktuellen Zahlen, die die ersten Trends mehr als bestätigten. „In dieser Höhe hätten wir den Zugewinn nicht erwartet“, sagte Mareike Wingerath, Vorsitzende des Ortsverbands Ratingen.

Man habe vor Ort viel Wahlkampf gemacht, sei in die Stadtteile gegangen: Schon an den Ständen habe sich die „ungewohnt aufgeschlossene Meinung“ den Grünen gegenüber gezeigt.

Für Ratingen bedeute das Wahlergebnis, „dass es keine Hinterzimmerpolitik ohne die Grünen mehr gibt“. Und im Hinterzimmer schon mal gar nicht. „Die Klimapolitik muss nun Schwerpunkt der Politik sein.“ Die Bewegung Friday for Future und das Youtube-Video von Rezo dürften, so Wingerath, auch noch für den Zulauf von jüngeren Wählern gesorgt haben: Das hat sie besonders erfreut, und so hofft sie auf eine Verjüngung der Partei.

Katerstimmung herrschte bei der SPD. „Entsetzlich“, sagte Fraktionschef Christian Wiglow. Er verfolgte den Wahlabend daheim im kleinen Kreis. Der Bundestrend schlug sich aufs örtliche Ergebnis nieder: Gegenüber der vergangenen EU-Wahl büßte die SPD fast 50 Prozent der Stimmen ein. Von der hohen Wahlbeteiligung konnte die SPD nicht profitieren.

Für Wiglow ist klar: „Es muss sich an der Parteispitze etwas ändern.“ An der Arbeit vor Ort könne es nicht gelegen haben. Man habe an den Wahlständen durchaus positive Resonanz erhalten. Bei der Mitgliederversammlung am 6. Juni werde man das Ergebnis diskutieren: „Wir brauchen einen Relaunch.“

AfD-Politiker Bernd Ulrich zeigte sich mit dem Wahlergebnis zufrieden, man habe sich in Ratingen stabilisiert – dies sei auch deshalb ein Erfolg, weil man einen schweren Wahlkampf absolvieren musste. Plakate seien zerstört worden, man sei diffamiert worden, berichtete er.

Die hohe Wahlbeteiligung zeichnete sich in Ratingen bereits am frühen Nachmittag ab. Mike Zollweg, der mit Ehefrau Christina und Kollegin Andrea Bold im neuen Wahllokal im alten Edeka Kels-Bistro als stellvertretender Wahlvorstand über den Ablauf wachte, sprach von einer „enormen Wahlbeteiligung“: Bis etwa 15.30 Uhr hatte man eine Beteiligung von etwa 67 Prozent ausgemacht.

Von 801 Wahlberechtigten im Stimmbezirk 7052 (Ost) hatten bereits 208 Bürger per Brief gestimmt, von den übrigen 593 waren zu diesem Zeitpunkt schon über 350 zur Urne marschiert. Die Frage nach der Wahlbeteiligung wurde an diesem Tag übrigens des Öfteren gestellt. Die Wahlbeteiligung in Ratingen lag nach Angaben der Stadt bei 65,61 % (2014: 54,18 %). Dies wurde gestern Abend seitens der Verwaltung offiziell mitgeteilt.

Das Eintüten des fast einen Meter langen Stimmzettels mit 40 Parteilisten in den üblichen Briefumschlag blieb den Ratingern diesmal erspart. Auch so sei das Einwerfen der nicht immer perfekt gefalteten „Tapete“ etwas problematisch gewesen, sagte Zollweg.

Ansonsten genossen die städtischen Mitarbeiter die ruhige Atmosphäre im leeren Bistro. Bislang hatte Zollweg meist in Schulen mit mehreren Stimmbezirken den Ehrenamtsdienst abgeleistet: Da müssen dann schon Wähler zum richtigen Wahlvorstand gelotst werden. Dienst getan.

Am Morgen hatte Felix Kels frisch gekochten Kaffee in einer großen Bürokanne auf den Wahltisch gestellt, den Kuchen brachte man selbst mit.

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