Lintorf Poesieschlacht in der Lintorfer Manege

Lintorf · Christine Brinkmann und Aylin Celik vermitteln im Poeten-Workshop das kleine Einmaleins der großen Dichtung.

 Jung-Poeten erobern ihr Publikum. Zuletzt fand der Dichterwettstreit im Frühjahr in der Manege statt. Die Resonanz war gut, jetzt folgt ein Workshop.

Jung-Poeten erobern ihr Publikum. Zuletzt fand der Dichterwettstreit im Frühjahr in der Manege statt. Die Resonanz war gut, jetzt folgt ein Workshop.

Foto: Achim Blazy

Deutschland ist noch immer das Land der Dichter und Denker. Wer dabei allerdings ausschließlich an Heroen vergessener Dekaden wie Goethe oder Schiller sowie Zeitgenossen von Hans-Magnus Enzensberger bis Botho Strauß denkt, hat übersehen, dass für die deutsche Lyrikwelt eine neue Zeitrechnung begonnen hat. Sie nennt sich Poesieschlacht.

 "Realistisch und sehr nah dran am aktuellen Geschehen", beschreibt Moderatorin Christine Brinkmann die Poetry-Slammer.

"Realistisch und sehr nah dran am aktuellen Geschehen", beschreibt Moderatorin Christine Brinkmann die Poetry-Slammer.

Foto: Blazy Achim

Lintorf kennt diese öffentlich ausgetragenen Dichterwettstreite, hier fand bereits im Frühjahr in der Manege ein solcher Poetry-Slam statt. Mitten drin: Aylin Celik. Sie ist eine typische Repräsentantin dieses Formats, 20 Jahre jung, immer auf Draht und der Sprache verpflichtet. "Der kritische Blick auf die Gesellschaft und Aktualität", sagt sie, sind die wesentlichen Merkmale, die ihre Texte auszeichnen. Und der "flexible Umgang mit der Sprache", fügt Christine Brinkmann hinzu. Gemeinsam organisieren sie in Kooperation mit der Stadt und im Rahmen des Projekts "Kulturrucksack NRW" für die bevorstehenden Herbstferien einen Poetry-Slam-Workshop.

 Slammerin Aylin Celik in Aktion. "Beim Poetry Slam finde ich Worte für Gedanken, die ich sonst nie zum Ausdruck bringen würde."

Slammerin Aylin Celik in Aktion. "Beim Poetry Slam finde ich Worte für Gedanken, die ich sonst nie zum Ausdruck bringen würde."

Foto: Blazy Achim

Wie bereits beim Slam im Frühjahr richtet sich der Kursus an alle, die "Lust auf Sprache haben und vor allem herausfinden wollen, wie man mit Sprache spielt". Makkaroni-Poesie nennen die Slammer diesen Mix aus eigenen Wortschöpfungen oder die Kombination unterschiedlicher Sprachen. Das allerdings ist eher in Richtung der Wortexperimente Ernst Jandls als Lautmalerei zu verstehen. Denn wenn Demnächst-Studentin Aylin beispielsweise Themen aus der Politik bedichtet, soll der Nachrichtengehalt beim Publikum ankommen, muss also bei allen Eigenkreationen verstehbar sein. Literarische Vorbilder übrigens hat sie dabei keine, "ich habe den Einstieg über die Musik gefunden", wenn überhaupt sind Formationen wie "Panic! at the Disco" inspirierend. "Aber es kann auch mal etwas über die zum hundertsten Mal verspätete Bahn sein oder den Kaffeeautomaten, der die Wartezeit verkürzen würde", fügt Christine Brinkmann (39) mögliche Themen hinzu.

Sie übrigens schreibt nicht selbst, "ich anerkenne, was andere können und freu mich immer über Neues". Als Initiatorin und Realisatorin von Poesieschlachten, die sie gerne moderiert, ist sie überaus erfolgreich. "Wir wollen junge Leute auf die Bühne bringen", bringt sie das übergeordnete Ziel auf den Punkt. Bis nach Moers reicht dabei der Wirkungskreis, in Düsseldorf gibt es bereits erfolgreiche Ableger des Poetry-Slams als sogenannte Poesiepause. Dabei gehen Slammer in Schulklassen "und stören für acht Minuten", wie die beiden Frauen grinsend erzählen. Im Schnelldurchlauf werden bei dem "ganz niederschwelligen Angebot" verschiedene Wortgattungen präsentiert und der Gedanke vermittelt, wie abwechslungsreich Sprache sein kann. Davon soll natürlich auch beim Manege-Workshop die Rede sein. Wie aber beginnt der Nachwuchsdichter seine ersten Zeilen? Ob nun lyrisch, gerappt oder als Poetry-Chip gereimt, den berühmten ersten Satz zu finden ist leichter, wenn erst einmal ein schöner Schwung von Adjektiven aufgeschrieben wird. Dazu werden drei Begriffe aus den Kategorien Tier, Fußballclub und Orte gefunden und nun Begriffe mit Adjektiven gepaart. "Es gibt keinen Druck, das ist kein Leistungswettbewerb", sagt Christine Brinkmann. Vor allem geht es darum, etwas zu lernen. Sich bei anderen etwas abzugucken, ist durchaus erwünscht. Peotry-Slammer, erzählt Aylin Celik, sind "wie eine große Familie". Die Szene ist miteinander bekannt, regelmäßig begegnet man einander bei Dichterschlachten, Konkurrenzdenken ist selten. "Da gibt es einen regen Austausch hinter der Bühne, man zittert gemeinsam und fiebert mit." Es gehe halt nicht um Geld und Gagen, ergänzt Christine Brinkmann, Es gebe keinen schlimmen Neid. Neben der frei gestaltbaren Poesie geht es aber auch um handfeste Performance. Gibt es kaum Regeln fürs Schreiben - erlaubt ist, was gefällt - ist der Wettbewerb klar definiert: Sechs Minuten hat jeder Teilnehmer für seinen Bühnenvortrag, dabei dürfen nur von ihm gefundene Sätze ohne Zitate benutzt werden. Die können gesprochen oder gesungen sein, aber Hilfsmittel sind keine erlaubt. Auch Tricks gegen Nervosität im Sinne von Lampenfieber werden im Seminar vermittelt: "Erstmal gerade hinstellen und tief Luft holen", weiß Aylin Celik. Dann gilt: freie Fahrt für freie Gedanken. "Die Sprache der Poesie kann anders sein, viel fantasievoller als Alltagsgerede", wissen beide.

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