Heiligenhaus Pilze bestimmen ist ein Fall für Experten

Heiligenhaus · Allen anderen rät Förster Johannsen: Finger weg. Allzu leicht werden essbare Exemplare mit gefährlich giftigen verwechselt.

 Hannes Johannsen (r.) und Klaus Sternemann mit Modellen von Knollenblätterpilz, Champignon, Satanspilz und Steinpilz (von vorn).

Hannes Johannsen (r.) und Klaus Sternemann mit Modellen von Knollenblätterpilz, Champignon, Satanspilz und Steinpilz (von vorn).

Foto: A. Blazy

Keine Sammel-Exkursion ohne den schallenden Ruf "Gut Pilz!" Das weiß die Biologin Regina Thebud-Lassak. Sie führt seit Jahrzehnten zur Herbstzeit durch Wälder und Feuchtgebiete. Ihr Ziel ist es allerdings weniger, ein Körbchen Essbares nach Hause zu bringen - ihr geht es um die Besonderheiten und Vielfalt der heimischen Pilze generell. Die Ergebnisse sind eine Frage der Großwetterlage eines Jahres. Unter Experten gilt 2016 als außerordentlich bescheidenes Pilzjahr. Sammler sind trotzdem unterwegs.

Der Heiligenhauser Förster Hannes Johannsen und Ex-Hegeringleiter Klaus Sternemann sind im Umweltbildungszentrum (UBZ) zwar mit Anschauungsmaterial und Fachbüchern reichlich ausgestattet. Trotzdem würden sie sich beide nicht auf ihre eigenen Pilz-Bestimmungskünste verlassen. Und raten auch allen anderen dringend davon ab, sich aufs Geratewohl in die Pilze zu begeben. Nicht nur, weil das zum Beispiel in den Heiligenhauser Naturschutzgebieten generell verboten ist.

Nur 300 von 3000 europäischen Pilzarten sind überhaupt essbar. "Die meisten sind einfach ungenießbar, die wenigsten allerdings direkt giftig", sagt Johannsen. Das ist nicht allein Frage für Naturfreunde: Im vergangenen Jahr verzeichnete das Klinikum Niederberg einen rapiden Anstieg der Fälle von Pilzvergiftungen. Man folgte daraufhin einer Empfehlung des Robert-Koch-Instituts und hängte Hinweistafeln auf - in vielen Sprachen. 2016 ist ganz anders. "In diesem Jahr haben wir dagegen bisher keinen einzigen Fall zu verzeichnen", so Klinik-Sprecherin Jane Looden auf Anfrage.

Für sich selbst hat Förster Johannsen die Sache so zurechtgelegt: "Ich kenne vier Pilzarten ganz sicher. Champignon, Steinpilz, Marone und Parasol. Um alle anderen mache ich einen Bogen." In speziellen Fällen sei die Verwechslungsgefahr zu groß und die Folgen zu gefährlich. "Niemand kann, allein mit einem Bestimmungsbuch in der Hand, einen Champignon sicher von einem tödlich giftigen Knollenblätterpilz unterscheiden. Oder einen essbaren Steinpilz vom giftigen Satanspilz." Zwar weisen Fachbücher explizit auf Verwechslungsgefahren hin - "aber das hilft im Wald auch nicht, wenn die Beleuchtung oder der Boden anders ist als auf Buchfotografien." Und dann gebe es immer noch besondere Fälle wie den Hallimasch: "Roh ist er giftig, gekocht essbar." Wieder andere, eigentlich genießbare Pilze werden erst in Kombination mit Alkohol gefährlich.

Bei aller Vorsicht - Pilzkunde ist erlernbar. Allerdings, so die beiden Heiligenhauser Forstexperten, "entweder ganz oder gar nicht". Sternemann rät Interessenten, ein halbes Dutzend geführte Pilz-Exkursionen mitzumachen, bevor man es auf eigene Faust angeht. Außerdem gebe es in allen Regionen zertifizierte Experten, die gesammelte Pilze begutachten können. Das muss allerdings schnell gehen, denn Pilze sind verderbliche Ware. Wie viel Vorsicht angebracht ist, kann Johannsen sogar am Lehrmaterial des UBZ ablesen. Eines der alten Pilzmodelle aus Volksschulbeständen ist als "Speiselorchel" ausgezeichnet. Ein krasser Fall: Tatsächlich handelt es sich um eine Frühlingslorchel. Deren Gift ist tödlich.

(RP)
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