Lintorf Neues Leben im alten Lintorfer Haus Merks

Lintorf · Nachdem es nach und nach verfallen war, kam 2010 die Rettung für Haus Merks an der Speestraße. Gastronom Michael Schwarz hauchte ihm neues Leben ein.

 Inhaber Michael Schwarz (links) in einem der Gasträume: Im Hintergrund ist die hunderte Kilo schwere alte Holztheke zu sehen, die extra für den engen Raum angepasst wurde.

Inhaber Michael Schwarz (links) in einem der Gasträume: Im Hintergrund ist die hunderte Kilo schwere alte Holztheke zu sehen, die extra für den engen Raum angepasst wurde.

Foto: Blazy, Achim (abz)

Zeitreise. Wer die grüne schwere Eingangstür zu dem kleinen roten Gebäude mitten auf der Speestraße öffnet, dem schießt dieser Begriff relativ schnell durch den Kopf. Die Decken sind niedrig, die dunklen Bodendielen strahlen einen historischen Charme aus. Während vor der Türe das alltägliche Lintorfer Verkehrschaos seinen Lauf nimmt, scheint im Haus Merks ein bisschen die Zeit stehen geblieben zu sein - und das nicht bloß im so genannten Uhrenzimmer, wo Inhaber Michael Schwarz gefühlt mehrere Dutzend unterschiedliche Zeitmesser aufgehängt hat.

"Ich wohne schon lange hier in der Gegend und habe viele Jahre gesehen, wie dieses Gebäude immer mehr verfällt. Und irgendwann hatte ich gemeinsam mit einem befreundeten Architekten die Idee, dass wir hier doch etwas machen müssen. Solch ein historisches Gemäuer kann man sich doch nicht selbst überlassen", erzählt Schwarz, der über langjährige Gastronomieerfahrung verfügt. Und so entstand die Idee, dem alten Haus, das in den weit über 200 Jahren seiner Geschichte auch als Bäckerei, Metzgerei, Uhrmacherwerkstatt und Bestattungsunternehmen fungierte, neues Leben einzuhauchen. Und so entwickelte er ein Konzept, in den 135 Quadratmetern im Erdgeschoss ein Bistro und Café mit hausgemachtem Frühstück, Kuchenkreationen und einer kleiner Mittagskarte umzusetzen - eine Herausforderung. "Die hygienischen Vorgaben in so einem alten Gebäude umzusetzen, war nicht einfach. Aber es hat auch Dank der sehr guten Zusammenarbeit mit allen Behörden geklappt", so Schwarz, der das Gesicht des Hauses ist.

 Voll funktionsfähig ist die 108 Jahre alte Registrierkasse auch heute noch. Doch dem Finanzamt reicht sie nicht - so ist sie bloß noch ein echter Hingucker.

Voll funktionsfähig ist die 108 Jahre alte Registrierkasse auch heute noch. Doch dem Finanzamt reicht sie nicht - so ist sie bloß noch ein echter Hingucker.

Foto: Blazy, Achim (abz)

In der Küche sorgt Antonio Uselli für den richtigen Geschmack. Die Kuchen allerdings sind Chefsache: "Da lebe ich mich aus", schmunzelt Schwarz. Dabei ist die Organisation des Betriebes gerade bei den Lebensmitteln an enge Grenzen gebunden: "Dadurch dass das Gebäude sehr klein ist, haben wir kaum Lagerfläche, müssen viel öfter einkaufen", so Schwarz, der im Innenbereich 42 Sitzplätze hat, auf der Terrasse hinter dem Haus noch einmal 65 wettergeschützte Sitzmöglichkeiten.

 Haus Merks im Winter 2014: Auf der Speestraße ist das kleine Haus nicht wegzudenken.

Haus Merks im Winter 2014: Auf der Speestraße ist das kleine Haus nicht wegzudenken.

Foto: Achim Blazy

Die Umbauarbeiten, die mehrere Monaten dauerten, hatten es in sich. Es blieben quasi nur die Außenmauern stehen. Alles im Innenbereich wurde unter Berücksichtigung aller Vorschriften neu gemacht. Blickfang im Schankraum ist eine alte Holtheke, die aus dem Jahr 1923 stammt und vor ihrem Einsatz im Haus Merks in Lintorf restauriert und an die räumlichen Gegebenheiten angepasst wurde. "Das war eine Prozedur, die Theke hier rein zu bekommen", erinnert sich Schwarz, der aus einer Gastronomiefamilie kommt: "Als die Fenster noch nicht drin waren, haben wir die Theke über die Öffnung hier rein gewuchtet. Beim Verlegen des Bodens musste sie dann immer wieder verschoben werden." Mehrere hundert Kilo wiegt das gute Stück.

Nicht ganz so schwer, aber dafür noch viel älter ist das zweite historische Stück: eine alte Registrierkasse, die mittlerweile 108 Jahre alt ist, mit mächtigen Knöpfen und Registern, die noch voll funktionsfähig ist - Schwarz' ganzer Stolz: "Anfangs haben wir die sogar noch genutzt. Aber dem Finanzamt reicht das nicht, deshalb mussten wir auf eine Computerkasse umsteigen. Aber das gute Stück bleibt natürlich trotzdem hier."

Die Arbeiten waren hart: Verfaulte Eichenbalken mussten entfernt, das Fachwerk erneuert werden, die Altsubstanz musste aber erhalten bleiben. Dasselbe galt für die Deckenbalken, die alte Treppe nach oben zu den kleinen Lagerräumen, die Sprossenfenster und sogar für die Farbgestaltung im Haus.

Die Türen mussten in Rehbraun gestrichen werden, die Wand bekam einen gelblichen Ockerton aus Leinölfarbe. Das Einzige, was Schwarz und Sven van Gelder, beide Höseler, aussuchen durften, waren die Bordüre an der Wand, die Fenstergriffe und die Trittsteine an den Ausgängen.

Doch die Mühen haben sich gelohnt. Bei den Lintorfern und auch darüber hinaus fühlt sich der Chef gut aufgenommen, hat viele Stammgäste, die regelmäßig zum Frühstück kommen oder eben die Kuchen mit einer Tasse Kaffee genießen. Woran es liegt? Schwarz hat da Vermutungen, die ihm oft von Gästen gespiegelt werden: "Das Haus ist zwar klein, dadurch aber urgemütlich. Dazu kommt die Qualität unserer Speisen und die Gastfreundschaft. Für Antonio und mich sind die Gäste so etwas wie ein Teil der Familie - und so behandeln wir sie auch." Und mit der Familie wird selbstverständlich auch schon einmal gerne gefeiert.

So gibt es kulturelle Angebote oder Themenabende, die sich zum Beispiel wie vor wenigen Wochen um die Küche Süd-Italiens drehen. Was bleibt, ist trotzdem der Charme längst vergangener Zeiten, als draußen vor der Tür noch Pferdefuhrwerke das Bild bestimmten und Felder und Wiesen die Szenerie beherrschten. Und während der Besucher in sein Croissant mit der leckeren Marmelade beißt und sich im Inneren umsieht, fällt der Blick zwangsläufig auch auf die Möbel, die Bilder an der Wand - und spätestens da ist er wieder: der Gedanke an die Zeitreise. Aber bitte sehr mit einem leckeren Frühstück.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort