Interview mit Baudezernent Jochen Kral Neue Ideen in vielen Köpfen verankern

Ratingen · Der neue Baudezernent setzt auf Bürgerbeteiligung als Schlüsselelement erfolgreicher Stadtplanung für Ratingen.

 Kaiserslautern, Düsseldorf, Witten und Viersen waren Stationen in Jochen Krals Laufbahn nach dem Zivildienst. Der gebürtige Büttgener lebt in Oberbilk.

Kaiserslautern, Düsseldorf, Witten und Viersen waren Stationen in Jochen Krals Laufbahn nach dem Zivildienst. Der gebürtige Büttgener lebt in Oberbilk.

Foto: Achim Blazy

Sie haben sich einen spannenden Zeitpunkt ausgesucht, um ihren Dienst in Ratingen anzutreten.

jochen kral Das stimmt. Es stehen Projekte an, die insbesondere das Stadtbild in der Innenstadt langfristig prägen werden. Das ist eine spannende Sache, diese Entwicklungen zu begleiten.

Aber Sie übernehmen da lediglich "Altlasten" Ihrer Vorgänger.

kral Stadtplanung ist nun einmal auf Nachhaltigkeit angelegt. Das bedeutet in der Regel, dass nach einigen Jahren jemand anderes eventuell diese Arbeiten fortführen. Ich war ja nun auch schon in der umgekehrten Position, dass ich meinen Nachfolgern Konzepte hinterlassen habe, die sie nun fortführt. Von daher gleicht sich das aus. Wichtig ist, in den Projekten Kontinuität zu haben, nicht bestehende Konzepte umzuschmeißen, um sich selbst verwirklichen zu wollen.

Was ist für Sie das Spannende an Stadtplanung?

Kral Stadtplanung bedeutet für mich Engagement für die Allgemeinheit, dazu beizutragen, dass eine Gemeinschaft in einem Umfeld zusammen leben kann. Deshalb habe ich mich letztlich für den öffentlichen Dienst entschieden. Hier kann ich für und mit den Menschen arbeiten und erarbeite nicht irgendwelche Projekte im stillen Kämmerlein.

Aber Sie kennen auch die andere Seite?

kral Nach meinem Referendariat bei der Stadt Düsseldorf, wo ich unter anderem an der Entwicklung des Medienhafens beteiligt war, habe ich drei Jahre in einem renommierten privaten Planungsbüro gearbeitet, dessen Inhaber übrigens ebenfalls Pesch hieß.

Und dann begann eine doch recht atemberaubende Karriere im öffentlichen Dienst.

kral Ob die jetzt so atemberaubend ist, müssen andere beurteilen. Aber wenn ich überlege, dass ich vor rund sechs Jahren nominell als Sachbearbeiter bei der Stadtverwaltung Witten angestellt gewesen bin und jetzt hier sitze und letztlich derjenige bin, der die oberste Verantwortung über ein Dezernat hat, ist schon eine spannende Entwicklung. Der Vorteil daran ist sicherlich, dass ich alle Bereiche von Verwaltungsarbeit kenne.

Die man Ihnen zwischendurch aber in der Politik auch einmal zum Vorwurf gemacht hat - von wegen mangelnde Führungserfahrung.

kral Sicherlich bin ich jünger als alle meine Amtsleiter, aber Erfahrung kann man nicht nur in Zeit messen - eigentlich möchte ich nicht so gerne zurückschauen, sondern nach vorne. In meiner Position will ich konstruktiv mit der Politik zusammen arbeiten und ich habe in den ersten Tagen hier den Eindruck gewonnen, dass alle Parteien im Rat dies genau so sehen.

Aber hat es Sie nicht getroffen?

kral Im Zentrum von öffentlicher Kritik zu stehen, das lernt man in diesem Beruf. Mit einem funktionierenden privaten Umfeld ist es einfacher, solche Angriffe nicht an sich heran zu lassen. Sicherlich ist dieses Dezernat personalmäßig sehr groß, aber ich habe als Fachbereichsleiter in Viersen genau so Führungsverantwortung gehabt wie in Witten, wo ich ein ämterübergreifendes Projekt geleitet habe, das sich "Witten 2020" nannte.

Klingt spannend.

kral Das war es auch. Es ging um die Erarbeitung eines Stadtentwicklungskonzeptes. Wir haben dabei großen Wert auf Bürgerbeteiligung gelegt, viele Werkstätten oder gemeinsame Spaziergänge mit den Beteiligten gemacht und so die Menschen vor Ort aktiv eingebunden.

Etwas, was Sie sich auch für Ratingen vorstellen können?

kral Bürgerbeteiligung ist ein Schlüsselelement zu einer guten Planung. Interessant ist aber auch, dass Ratingen davon geprägt ist, mitten in einem Ballungszentrum zu liegen aber so, dass man trotzdem im Grünen lebt. Diesen Gegensatz städtebaulich aufzulösen und Entwicklung voranzutreiben, ist sehr spannend. Zumal Ratingen im Gegensatz zu den meisten Städten eher multipolar strukturiert ist.

Was bedeutet das?

Kral Aus der Geschichte kennen wir es, dass Städte klar strukturiert sind. Einkaufen, Freizeit im Zentrum, Wohnen am Rand der Stadt. Das ist in Ratingen nicht so.

Wie sieht es mit Ihren Visionen für die Stadt aus?

kral Es geht nicht darum, meine Visionen auf Ratingen anzuwenden. So etwas müssen Bürgerschaft, Politik und Verwaltung gemeinsam auf die Beine stellen und nicht der Baudezernent alleine. Und letztlich müssen solche Visionen so verankert sein, dass sie auch von anderen Beteiligten fortgeführt werden können. Ziel muss es bei allem, was wir tun, sein, die historische Innenstadt als Wohn- und Einkaufsstandort zu stärken.

Sie wohnen in Düsseldorf, haben dort Eigentum. Ein Umzug nach Ratingen ist also unrealistisch. Ein Vorteil?

Kral Ich denke, dass diese Kombination aus räumlicher Nähe und einem gewissen Abstand, den man für den eigenen Kopf auch mal braucht, optimal ist.

Ein Grund, sich auf diese Stelle zu bewerben?

Kral In der Tat gehörte die räumliche Nähe dazu. Ich wollte immer im Düsseldorfer Umfeld bleiben, weil ich hier verwurzelt bin. Aber davon abgesehen habe ich für mich festgestellt, dass Mittelstädte wie Ratingen eine sehr gute Größe zum Arbeiten bieten. Deshalb habe ich letztlich auch gesagt, das mache ich, als ich von einem Personalberater angesprochen wurde.

Ratingen hatte jetzt viele Jahre keinen Baudezernenten. Ein Vor- oder ein Nachteil für Sie?

kral Ich glaube, dass sowohl Politik als auch die Mitarbeiter froh sind, dass diese Funktion jetzt besetzt ist. Deshalb ist es keine Bürde für mich. Wobei ich festgestellt habe, dass aus der Ära Netzel kaum noch jemand hier ist. Damit ist leider auch sehr viel historisches Wissen verschwunden.

Sie gelten als sehr ruhiger Mensch, der auch in heißer Atmosphäre nicht aus der Haut fährt. Gibt es denn trotzdem etwas, was Sie aus der Ruhe bringt, wo Sie wütend werden?

kral Ungerechtigkeit.

W. Schneider stellte die Fragen.

(wol)
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