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Ratingen Menschenbildern auf der Spur

Düsseldorf · Zum 175. Geburtstag von Wilhelm Busch präsentierte Literaturwissenschaftler und RP-Redakteur Paul Köhnes im Medienzentrum bekannte und unbekannte Seiten eines Mannes, der schon zu Lebzeiten Legende war.

„Diese Veranstaltung hier hätte Wilhelm Busch ganz sicher nicht gefallen“, stellte Paul Köhnes eingangs fest. Die gut drei Dutzend Gäste, die sich am Mittwochabend im Lesecafé des Medienzentrums eingefunden hatten, erfreute der Abend zu Ehren des wohl bekanntesten deutschen Verseschmiedes aber umso mehr. „Menschenbild und Menschenbilder“ hatte Literaturwissenschaftler und RP-Redakteur seinen Vortrag zum 175. Geburtstag von Wilhelm Busch betitelt. Allerhand amüsante, kuriose, bitterböse und vor allem auch selten beleuchtete Seiten des Wortakrobaten hatte er dazu ausgegraben. Sein Ziel: „Einmal die üblichen Etikette abzulösen von einem im Verborgenen Lebenden“.

Dass Busch einmal einer der Urväter des Comics sein würde, war im Lebensweg von Wilhelm Busch nicht vorgezeichnet: Als ältestes von sieben Kindern wurde der Sohn eines Krämers 1832 in Wiedensahl bei Hannover geboren. Als Neunjähriger übergaben ihn die Eltern seinem Onkel Georg Kleine, einem Pfarrer in Ebergötzen, der ihn als Privatlehrer unterrichtet. Es folgten ein abgebrochenes Maschinenbau-Studium – dies war der Wunsch des Vaters gewesen – und Jahre der Selbstfindung: Die Malerei hatte es dem jungen Busch angetan und blieb sein Leben lang seine große Leidenschaft. In München trat der 22-Jährige dem Kunstverein „Jung-München“ bei – Verleger Kaspar Braun entdeckte den jungen Karikaturisten und bot ihm ein Forum in seinen „Fliegenden Blättern“. Der erste Schritt auf dem Weg zum Ruhm.

Mit seinem schwarzen und zum Teil bitterbösen Humor traf Busch den Nerv der Zeit. Wie Golo Mann dazu treffend schrieb: „Die Menschen fühlten sich erkannt auf eine Weise, die ihnen gefiel.“ Es war wohl vor allem die Unwucht zwischen Ursache und Wirkung in Buschs Versen und Geschichten, die die Menschen fesselte.

Mit Max und Moritz (geschrieben 1865) machte Busch sich unsterblich bis heute – und seinen Verleger Braun steinreich bis ans Ende seiner Tage. Für 1700 Goldmarkt verkaufte der Kunststudent Busch die Rechte an seinem Werk. Jahre später erhielt er noch einmal 20 000 Goldmark – eine Gefälligkeit von Braun – Busch spendete das Geld an Hannoveraner Kliniken.

Die Steilvorlage für seine folgenden Werke war der Kulturkampf zwischen der katholischen Kirche und Reichskanzler Otto von Bismarck. In „Der heilige Antonius von Padua“, „Die fromme Helene“ und „Pater Filizius“ prangerte Busch klerikale Bigotterie und theologische Verlogenheit an. Perfide und grausam, dazu voller Hohn und Spott sind diese Geschichten. Buschs Phantasie-Version eines Heiligen landete gar vor Gericht. Der Prozess gegen den Verleger endete mit einem Freispruch. Ein Umstand, der vielleicht dazu beigetragen hat, dass Busch schon zu Lebzeiten eine Legende wurde.

Viel zu Lachen und zu Staunen hatten die Besucher im Lesecafé an diesem Abend. Zahlreiche Zitate und Textauszüge aus Busch-Werken und seiner Biografie kombinierte Köhnes mit Analysen zu Zeitgeist und Geschichte. Vor allem die kunsthistorischen Aspekte dürften dem einen oder anderen Zuhörer zuvor unbekannt gewesen sein.

Fazit: So manches Etikett wurde an diesem Abend erfolgreich abgelöst und offenbarte: Das eine Menschenbild des Wilhelm Busch gibt es nicht. Der Satiriker und Dichter selbst hat einmal über seine Arbeit gesagt, er destilliere Gedankenkräuter. Dabei kommt bekanntlich vielerlei heraus – Bekömmliches und Giftig-Bitteres.

(RP)
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