Eintauchen in Lintorfer Geschichte Heimatverein gibt Lintorf-Buch heraus

Lintorf · „Lintorf – Metropole des Angerlandes“ beschreibt den Wandel der einst selbstständigen Stadt in den Jahren 1953 bis zur Gemeindereform 1975 aus der Sicht des früheren RP-Fotografen Reiner Klöckner. Das Werk ist ab sofort im Handel.

 Dietmar Falhs (r.) sichtete unzählige Fotografien aus Lintorf von Reiner Klöckner und Bastian Fleermann (l.) verfasste den Text für das Buch „Lintorf – Metropole des Angerlandes.“

Dietmar Falhs (r.) sichtete unzählige Fotografien aus Lintorf von Reiner Klöckner und Bastian Fleermann (l.) verfasste den Text für das Buch „Lintorf – Metropole des Angerlandes.“

Foto: Achim Blazy (abz)

Er war auf Baustellen, in Kindergärten, auf Sportplätzen, in Gemeindesitzungen – immer dabei: die Kamera. Mehr als 40 Jahre lang blieb Reiner Klöckner kaum eine Veränderung in Ratingen verborgen. Er selbst war im gesamten Stadtgebiet bekannt, wie ein bunter Hund. Seine Bilder prägten von 1953 Jahre bis 1989 die tagesaktuellen Nachrichten der Rheinischen Post. Nach seinem Tod im Jahr 2000 hinterließ Reiner Klöckner rund 300.000 Negative – Dokumente der Zeit- und Stadtgeschichte. 

Das Stadtarchiv Ratingen kaufte im Jahr 2001 den Nachlass Klöckners, um die Fotos zu digitalisieren, zu verschlagworten und anschließend in eine Datenbank einzupflegen. Seit einigen Jahren ist auch Dietmar Falhs vom Mitglied der Gruppe aus ehrenamtlichen Helfern des Stadtarchivs. Für ihn waren die Fotos Klöckners ein Schatz, den es zu heben galt.

Falhs pickte sich Aufnahme aus Lintorf heraus und holt bei der Stadt Ratingen die Erlaubnis ein, diese in Vorträgen über Lintorf zeigen zu dürfen. „Die Vorträge hatten eine derart große Resonanz, dass wir sie mehrfach wiederholen mussten“, so Falhs. „Allein die erste Bilderschau haben wir vier oder fünf Mal neu aufgelegt.“ Dann kam Corona.

 Dr. Esther Betz, Vorsitzende der Anton-Betz-Stiftung der Rheinischen Post (r.) wirft mit Barbara Lüdecke von den Heimatfreunden einen Blick ins Buch.

Dr. Esther Betz, Vorsitzende der Anton-Betz-Stiftung der Rheinischen Post (r.) wirft mit Barbara Lüdecke von den Heimatfreunden einen Blick ins Buch.

Foto: Achim Blazy (abz)

Mit Ausbruch der Pandemie waren keine Treffen und keine Vortragsabende mehr möglich. „Was lag da näher als ein Buch?“, erinnert sich Falhs an die Geburt der Idee. In Bastian Fleermann fand Falhs einen Mitstreiter, der sich bereiterklärte, dem fotografischen Werk ein Essay beizusteuern.

 Eine Aufnahme von 1966 zeigt die ehemalige Gaststätte Zum Kothen (Gaststätte Mentzen). Heute ist dort die Filiale der Sparkasse.

Eine Aufnahme von 1966 zeigt die ehemalige Gaststätte Zum Kothen (Gaststätte Mentzen). Heute ist dort die Filiale der Sparkasse.

Foto: Achim Blazy (abz)

„In erste Linie sollte es ein Bildband werden“, so Fleermann. „Man sieht sofort, dass Klöckner ein Profi war, der ein gutes Auge für Bildschnitte und -inhalte hatte.“ Doch schnell war das Interesse des Historikers geweckt. Aus dem Essay wurde schließlich eine gesellschaftsgeschichtliche Betrachtung Lintorfs. „Ich habe auch die einbezogen, die in historischen Abrissen wenig Beachtung finden“, so Fleermann. So zeigt das Buch auch das Rollenverständnis von Mann und Frau, berichtet vom Aufwachsen der Kinder und Jugendlichen, rückt Geflüchtete und Vertriebene ebenso in den Fokus wie die Psychiatrie, die in Lintorf eine lange Geschichte hat und wirft einen Blick in das Lagerleben an der Rehhecke, wo zeitweise 1200 ehemalige Kriegsgefangene und Zwangsverschleppte untergebracht waren.

 Reiner Klöckner fotografierte von 1953 bis 1989 für die Rheinische Post.

Reiner Klöckner fotografierte von 1953 bis 1989 für die Rheinische Post.

Foto: Achim Blazy (abz)

„Die Veränderungen setzten in Lintorf zeitverzögert ein“, berichtet Fleermann. Während in Düsseldorf Bomben einen Großteil der Stadt dem Erdboden gleichgemacht hatten, blieb Lintorf weitgehend verschont. Bautätigkeiten und die Erneuerung der Infrastruktur begannen zum Teil erst in den 60er Jahren. „Die Nachkriegsjahre waren trist, hart und grau“, so Fleermann, „bevor eine extrem dynamische Zeit einsetzte.“

Beiden Autoren sind zwei Dinge gemeinsam: die Begeisterung für die Bilder Klöckners und die Liebe zu Lintorf. „Bilder und Texte harmonieren miteinander“, findet Fleermann. „Dieses Buch ist seit mehr als 30 Jahren die erste größere Veröffentlichung der Lintorfer Heimatfreunde“, sagt Falhs. Herausgekommen ist ein 264-seitiges Werk, mit dem der Leser in die Stadtgeschichte eintauchen kann und das fotografische Werk Klöckners lebendig hält. Der Titel des Buches greift übrigens einen immer wiederkehrenden spöttelnden Begriff auf. In der Berichterstattung bezeichnete die Rheinische Post Lintorf gerne als Angerlandmetropole.

Eingebunden in die Produktion ist die Anton-Betz-Stiftung der Rheinischen Post, die einen großzügigen Druckkostenzuschuss zusicherte. Dr. Esther Betz (97), Tochter des Gründungsverlegers der Rheinischen Post Anton Betz und seit 1985 Vorsitzende der Stiftung, nutzte die Gelegenheit, um das Werk bei der Buchvorstellung zu studieren.

Schon bei der Entstehung stieß die Arbeit in Lintorf auf großes Interesse: „Wir sind bereits mehrfach gefragt worden, ob es eine Fortsetzung geben wird“, so Fleermann. „Das schließen wir nicht aus“, fügt Falhs hinzu. Ein zweiter Band wird aber noch etwas auf sich warten lassen. „Wir arbeiten bereits an einer weiteren Veröffentlichung“, kündigen die Autoren an. Über das einstige Lager an der Rehhecke seien neue Dokumente aufgetaucht, die derzeit gesichtet und bearbeitet würden. Eins will Falhs aber klarstellen: „Das Buch ist kein Ersatz für die jährlich erscheinende Quecke. Auch diese wird es geben.“

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