Kreis Mettmann Lehren aus der Pandemie

Düsseldorf · Die Schweinegrippe stellte das Kreisgesundheitsamt bezüglich der Geschwindigkeit ihrer Ausbreitung vor große Herausforderungen. Verbessern möchte Dr. Rudolf Lange vor allem die Informationsvergabe am Bürgertelefon.

Am Dienstag noch musste sich die WHO gegen den Vorwurf des Europarates wehren, die Schweinegrippe voreilig zur Pandemie erklärt und damit eine Hysterie ausgelöst zu haben.

"Wir haben einfach viel Glück gehabt, weil es letztlich eine harmlose Variante war", hält Dr. Rudolf Lange, Leiter des Kreisgesundheitsamtes, all denjenigen entgegen, die die Maßnahmen vom Frühjahr 2009, als in Mexiko 60 Menschen an der Neuen Grippe starben, aus der Sicherheit heutiger Erkenntnisse heraus beurteilen. Allein an der Dramatik der Ausbreitung gemessen war die Schweinegrippe eine klassische Epidemie. Bis Mitte November wurden dem Kreisgesundheitsamt etwa 600 nachgewiesene Fälle gemeldet. "Diese Zahl gibt ein einigermaßen gutes Bild der Lage wieder." Danach wurden Ärzte von der Meldepflicht bei Verdachtsfällen entbunden, und es wurde verfügt, dass nur noch laborbestätigte Krankheitsfälle gemeldet werden mussten. Von 13. November bis Mitte Dezember registrierte die Behörde 400 Fälle. "Das war mitten in der Welle, die Zahl bildet also nur einen kleinen Ausschnitt der sich explosionsartig vermehrenden Erkrankungen ab", so Lange.

Insgesamt hatte der Kreis 75 000 Impfdosen abgerufen, davon wurden geschätzt 55 000 bis 60 000 verabreicht. "Der Einbruch bei der Impfnachfrage kam in der zweiten Dezemberwoche – ganz plötzlich, als hätte jemand die Luft rausgelassen", sagt Lange. Damals setzte sich offenbar aufgrund der vielen Beispiele im sozialen Umfeld die Erkenntnis durch: "Man kann die Grippe überleben, ist nicht so schlimm." Aber eben nur, was die Qualität der Epidemie angehe, betont Lange. Auch als die zunächst schleppende Produktion des Impfstoffes in Fahrt kam, verlor dieser den Reiz des knappen Guts.

Das Kreisgesundheitsamt jedenfalls habe aus dem Umgang mit dieser ersten Pandemie "sehr viel gelernt". Anhand dieses Musterfalls ließen sich verschiedene Phasen bestimmen, die jeweils neue Maßnahmen erforderten, wie zum Beispiel die Absonderung der infizierten Urlauber, die Sinn machte, solange die Zahl noch überschaubar war. Eine neue Erfahrung für die Behörde war auch der Umgang mit der Vielzahl an Meldungen, wobei die Mitarbeiter in jedem Einzelfall weiter "ermittelten", um Informationen über Krankheitsverlauf und Ausbreitungswege zu erhalten. Als verbesserungswürdig beurteilt Lange das eigens eingerichtete Bürgertelefon, nicht nur was die interne Organisation angeht. "Wir müssen uns bei der Informationsvergabe künftig stärker auf den hiesigen Handlungsrahmen beziehen."

Lange hält eine Impfung auch jetzt noch für sinnvoll, weil eine dritte Erkrankungswelle um die Karnevalszeit erwartet wird. Sie helfe auch, das Grundgerüst an Immunität zu erweitern. "Und sollte dieser Stamm zu einer gefährlicheren Variante mutieren, würde die Impfung dennoch schützen." Insgesamt habe die Erfahrung, dass sich die Ausbreitung einer Epidemie nur begrenzt steuern lasse, der Behörde das Gesamtrisiko vor Augen geführt. "Schweinegrippe" sei für die Gesundheitsbehörden insofern das Unwort des Jahres 2009.

(RP)
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