Kreis Mettmann Kritik: Hartz-IV-Empfänger finden kaum Jobs

Kreis Mettmann · Das Urteil der Wohlfahrtsverbände im Kreis ist vernichtend: Langzeitarbeitslose finden keine Arbeit. Generationen verharren in Armut. Qualifikation ist das eine. Viele soziale Fertigkeiten wie Pünktlichkeit oder Ausdauer fehlen.

 Wer Hartz-IV bezieht schafft den Einstieg in die Arbeitswelt meist nur über Leiharbeitsfirmen. Und die Arbeit endet meist nach drei Monaten

Wer Hartz-IV bezieht schafft den Einstieg in die Arbeitswelt meist nur über Leiharbeitsfirmen. Und die Arbeit endet meist nach drei Monaten

Foto: W. Gabriel

Bei der Betrachtung des neuen Arbeitslosenreports NRW muss auch Rainer Bannert zustimmen: Nur ein Bruchteil der erwerbsfähigen Hartz-IV-Bezieher findet eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, um kein Hartz-IV mehr beziehen zu müssen. Der Sprecher der Liga der Wohlfahrtsverbände im Kreis Mettmann (DRK, Awo, Caritas, Der Paritätische, Diakonie) kennt die Realität aus dem Alltag: Gelingt der Ausweg aus Hartz IV, ist das häufig nicht von Dauer. Wenn Arbeitslose im Hartz-IV-System überhaupt eine Arbeitsstelle finden, dann in erster Linie in der Leiharbeit - und die beendet prekäre Verhältnisse keineswegs.

Die landesweit insgesamt schlechten Chancen für Hartz-IV-Empfänger, die der Arbeitslosenreport NRW offenbart, gelten auch für den Kreis Mettmann. 2015 gelang es pro Monat durchschnittlich nur 1,6 Prozent von ihnen im Kreis Mettmann, eine sozialversicherungspflichtige Stelle zu finden.

Bei den Hartz-IV-Empfängern im Kreis Mettmann, die den Ausstieg aus dem Leistungsbezug schaffen, ist dies zudem häufig nicht von Dauer. Von 10.401 Hartz-IV-Empfängern im erwerbsfähigen Alter, die 2015 den Leistungsbezug im Kreis Metmann beendet haben, mussten 26,4 Prozent innerhalb von drei Monaten erneut Unterstützung vom Jobcenter beantragen. Ein häufiger Grund hierfür sind instabile und befristete Jobs, zum Beispiel in der Leiharbeit, sagt Bannert.

Landesweit gesehen belegt die Leiharbeitsbranche mit 28 Prozent Platz eins der Arbeitgeber für vormals arbeitslose Hartz-IV-Empfänger. Im Kreis Mettmann kamen ein Viertel der Arbeitslosen im Hartz-IV-System, die zwischen Juli 2015 und Juni 2016 eine sozialversicherungspflichtige Arbeit aufnahmen, in der Leiharbeit unter.

Dabei verweist der Arbeitslosenreport NRW auf Aussagen des Institutes für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, wonach die Leiharbeitsbranche nur schlechte Möglichkeiten in ein reguläres Beschäftigungsverhältnis hat. Demnach hatten nur sieben Prozent der vormals Arbeitslosen, die zunächst eine Stelle in der Leiharbeit hatten, zwei Jahre später eine existenzsichernde Beschäftigung außerhalb der Arbeitnehmerüberlassungsbranche.

Landesweit zeigt sich, so der Arbeitslosenreport, dass die Arbeitsverhältnisse in der Leiharbeit nur von kurzer Dauer sind, weiß Bannert. Mehr als die Hälfte der Leiharbeitsverhältnisse endet nach weniger als drei Monaten. Danach geht es in der Regel zurück in Arbeits- und Perspektivlosigkeit.

"Es genügt nicht, Menschen nur kurzfristig in Arbeit zu bringen, sie müssen dauerhaft in Arbeit bleiben" sagt Rainer Bannert, Sprecher der Liga der Wohlfahrtsverbände im Kreis Mettmann. "Sie brauchen auch nach der Aufnahme einer Beschäftigung aktive Unterstützung und fachliche Beratung."

Der Leiter der Werkstatt für Innovation und Bildung in Mettmann, Volker Werner, weiß vor allem um die sozialen Fertigkeiten und Lebensumstände der Langzeitarbeitslosen.

"Es gibt heute ganze Generationen, die nie in sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen gearbeitet haben. Das hat Folgen." Abseits der Fachkenntnisse sei ein geregeltes Arbeitsleben bei vielen nicht möglich. Pünktlich morgens an der Arbeitsstelle sein, dauerhaft jeden Tag arbeiten gehen, Suchtprobleme in den Griff zu bekommen: All das sind schwerwiegende Beeinträchtigungen, mit denen Hartz-IV-Bezieher und die möglichen Arbeitgeber zu kämpfen haben, sagt Werner.

Ein Bauunternehmer habe einmal gesagt, die Menschen müssten nur pünktlich jeden Tag morgens dort sein. Den Rest zeige er ihnen schon. "Das sind Beispiele, die zeigen, wie schwierig es ist", sagt Werner.

Bannert verweist damit auf den im August 2016 ins Sozialgesetzbuch aufgenommenen Paragrafen 16g. Diese Regelung ermögliche aktive Leistungen zur nachhaltigen Eingliederung in Arbeit, wie zum Beispiel Beratungsangebote auch noch bis zu sechs Monate nach der Beschäftigungsaufnahme. Bannert appelliert deshalb an das regionale Jobcenter und die örtlichen Arbeitgeber, die Chance zu nutzen, die diese neue Regelung zur betrieblichen Eingliederung ehemals langzeitarbeitsloser Mitarbeitender seit kurzem bietet. Er betont: "Vormals Langzeitarbeitslose in den ersten Monaten ihrer neuen Beschäftigung durch mit Langzeitarbeitslosen erfahrene Fachkräfte zu coachen und dem neuen Arbeitgeber, sowie den neuen Kollegen als Ansprechpartner und als Krisenmanager zur Verfügung zu stehen, kann schnelle Abbrüche und das Scheitern in den ersten Monaten verhindern."

(rei)
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