Interview "Im Rat wird noch viel passieren müssen"

Ratingen · SPD-Fraktionschef Christian Wiglow blickt zurück auf die ersten Wochen nach der Wahl und schaut auch in die Zukunft.

 "Bürgermeister Pesch hebt sich wohltuend von seinem Vorgänger ab", meint SPD-Chef Christian Wiglow.

"Bürgermeister Pesch hebt sich wohltuend von seinem Vorgänger ab", meint SPD-Chef Christian Wiglow.

Foto: privat

Die Sommerpause bietet nicht nur Erholung, sondern auch Zeit zum Nachdenken und Reflektieren. Das nutzt auch SPD-Fraktionschef Christian Wiglow, der gerade auch in seiner Funktion als Chef des SPD-Ortsverbandes Mitte bestätigt wurde.

Es ist Sommerpause. Gilt die auch für Fraktionsvorsitzende?

Christian Wiglow: Nicht wirklich. Es stimmt zwar, dass die Frequenz der internen Termine abnimmt. Dafür steigt aber die der externen Termine - man denke an Sommer- und Schützenfeste. Es gibt immer etwas politisch zu tun und die Probleme der Bürgerinnen und Bürger machen keine Sommerpause.

Die ersten Sitzungen im neuen Rat haben stattgefunden? Wie beurteilen Sie das politische Klima?

Wiglow Ich glaube, der neue Rat muss sich noch finden. Das gilt insbesondere für die Bürger-Union (BU), die ja ihren Bürgermeister eingebüßt hat und mit dieser neuen Rolle noch fertig werden muss. Die Art und Weise, wie die BU die Frage Verwaltungsvorstand und Erster Beigeordneter behandelt hat, zeigt eindrücklich, dass da noch viel passieren muss. Auch ist die Situation mit zwei neuen Fraktionen, Piraten und AfD, für alle Beteiligten neu. Die Piraten bemühen sich wohltuend um ein kollegiales Miteinander und widerlegen alle Vorurteile, die man gegen sie haben könnte. Bei der AfD sieht es allerdings anders an.

Oftmals war von einem neuen Stil die Rede, der unter einem Bürgermeister Klaus Pesch Einzug halten soll. Haben Sie davon schon etwas gemerkt?

Wiglow Bürgermeister Pesch hebt sich wohltuend von seinem Vorgänger ab. Schon allein der Start in die neue Wahlperiode mit dem gelungenen Versuch einer Einigung über die Ausschüsse, Ausschussvorsitze war getragen von dem Versuch, alle, auch die neuen Fraktionen, einzubeziehen, was ja auch gelungen ist. Gleiches gilt für die Art und Weise der Sitzungsleitung, für den wertschätzenden Umgang mit allen im Rat wie auch für die Auftritte in der Öffentlichkeit.

Wie beurteilen Sie überhaupt die ersten Wochen unter dem neuen Bürgermeister?

Wiglow Für eine wirkliche Einschätzung ist es viel zu früh. Nach meiner Einschätzung ist es Bürgermeister Pesch gelungen, sich - wie gesagt - wohltuend von seinem Vorgänger abzuheben. Auch gefällt uns, dass Bürgermeister Pesch zu dem steht, was er im Wahlkampf gesagt hat und schon erste Schritte bei den Schultoiletten (Prioritätenliste, Toilettenaufsicht - eine Idee der SPD, die vorher von der konservativen Mehrheit nicht bekämpft wurde) eingeleitet hat. Weiterhin ist er, wie von uns immer gefordert, inzwischen wegen der städtischen Wohnungen mit der Wogera im Gespräch.

Zur Kommunalwahl: Wie ordnen Sie das SPD-Ergebnis ein?

Wiglow Das Ergebnis, auch wenn wir uns um knapp zwei Prozent verbessert haben, ist enttäuschend. Der Steigerungstrend liegt zwar auf NRW-Niveau, doch glaube ich, dass wir in Ratingen mehr erreichen können. Die SPD hat die richtigen Themen besetzt, hat in der letzten Periode eine gute Arbeit geleistet, hat auch viel durchgesetzt und eine gute Mannschaft aufgestellt. Leider hat das aber nicht ausgereicht, um ein besseres Wahlergebnis zu erreichen. Wir arbeiten daran, was wir für die nächsten Wahlen lernen und anders machen müssen. Das geschieht mit breiter Beteiligung.

Die Wahlbeteiligung war erschreckend gering. Woran lag es Ihrer Meinung nach?

wiglow Wir beobachten allerorts eine erodierende Wahlbeteiligung, die in einigen Stimmbezirken in West schon dramatische Züge annimmt. Das ist - man möchte bald sagen, leider - kein Ratinger Phänomen. Während woanders in der Welt Menschen auf die Straße gehen und für ein Wahlrecht ihr Leben riskieren, bleiben hier die Leute zunehmend zu Hause und verzichten auf ihre demokratischen Mitwirkungsmöglichkeiten. Offenbar haben viele Menschen resigniert, erwarten von der Politik keine Verbesserung ihrer Lebensumstände mehr und ziehen sich zurück. Kommunalwahlen mit keiner oder nur geringer Präsenz in überörtlichen Medien haben es dann noch schwerer als Bundestagswahlen, die notwendige Aufmerksamkeit zu erzielen. Und das, obwohl es um die Gestaltung der unmittelbaren Lebensumstände geht. Darüber hinaus gibt es offensichtlich Sprachbarrieren. So ist festzustellen, dass gerade in den Stimmbezirken mit extrem niedriger Wahlbeteiligung die Wahlbenachrichtigungen im besten Amtsdeutsch von Zuwanderern offenbar nicht verstanden und als wichtig angesehen werden. Hier gilt es, nach Lösungen zu suchen. Die Entwicklung der rückläufigen Wahlbeteiligung dürfen wir nicht hinnehmen, sondern müssen neue Wege der Ansprache finden.

Womit wird die Ratinger SPD in nächster Zeit beim Wähler punkten können?

wiglow Wir haben vor der Wahl die wichtigsten Themen konkret benannt und werden an diesen weiter arbeiten: Dazu gehören beispielhaft: Die SPD wird Vorschläge zum Thema "Wohnen" - einem der aus unserer Sicht mit am wichtigsten Probleme - machen und auf die Umsetzung bereits bestehender Ratsbeschlüsse setzen. Wir wollen eine bessere Reinigung der Schulen jetzt und für die Zukunft eine klare Richtungsentscheidung zur Rekommunalisierung, also Reinigung durch städtische Kräfte. Bei der Kindertagespflege, deren Rahmenbedingungen sich zum 1. August ändern, wollen wir eine das Angebot sicherstellende größtmögliche Gleichbehandlung mit den Kindertageseinrichtungen. Auf dem Weg zu einer inklusiven Schullandschaft müssen wir noch viele Hürden überwinden. Die SPD hat dazu gute Vorschläge gemacht. Die SPD wird daher auch die Sommerpause nutzen, um in Arbeitsgruppen für alle Fachausschüsse die Schwerpunkte für die kommenden Monate zu erarbeiten.

WOLFGANG SCHNEIDER STELLTE DIE FRAGEN.

(RP)
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