Ratingen "Hunde brauchen Grenzen"

Düsseldorf · Sabine Giesen, Vorsitzende des Hundevereins, sagt: Jeder Hund muss eine Grunderziehung durchlaufen, damit er lernt, Verbote zu akzeptieren. Dann klappt's auch mit den Nachbarn.

Es ist der Klassiker: Ein Hund rennt bellend über die Straße auf fremde Menschen zu und hört nicht auf die Besitzer, die hinterher laufen und ihn rufen. Was sagen Sie als Vorsitzende eines Hundevereins und Hundetrainerin zu solchen Situationen?

Giesen Ich glaube, den meisten Hundebesitzern ist es zunächst einmal peinlich, wenn sie nicht in der Lage sind, ihren eigenen Hund zu stoppen. Die Leute wissen wirklich nicht, wie sie das dem Hund beibringen können. Dabei fehlt auch oft die Erkenntnis und das Bewusstsein, dass ihre Hunde andere Menschen stören, wenn sie nicht hören. Vielen fehlt die Sensibilität zu erkennen, wie die Umwelt den Hund wahrnimmt.

Wenn die Erkenntnis dann da ist, dass man den eigenen Hund nicht im Griff hat, wo bekommen Hundebesitzer Hilfe?

Giesen Dann ist der wichtigste Schritt schon getan. Hilfe gibt es grundsätzlich in guten Hundeschulen. Bei Hundevereinen ist es meistens so, dass dort der Schwerpunkt auf Hundesport liegt.

Am Anfang steht aber erst einmal die grundsätzliche Erziehung des Hundes?

Giesen Genau. Die Grunderziehung muss einfach jeder Hund durchlaufen. Am besten holt man sich Hilfe in einer guten Hundeschule, manche Hundebesitzer schaffen das auch ohne Trainer.

Was ist das Wichtigste, was ein Hund beherrschen muss?

Giesen Zuerst muss der Hund Verbote akzeptieren, egal, um was es geht, ob er an Menschen hochspringt, irgendwo hinläuft, einen Mülleimer ausräumt oder einem Kind das Eis klaut. Ein "Lass das sein" muss er befolgen. Damit sind 85 Prozent der Erziehung schon erreicht.

Wie sollte die Hundeerziehung aufgebaut sein, welche Dinge muss der Hund lernen?

Giesen Zuerst fängt man damit an, dass der Hund in jeder Situation kommen muss, wenn er gerufen wird. Und zwar überall und nicht nur in sterilen Bereichen. Dazu kommt, wie bereits erwähnt, das Akzeptieren von Grenzen. Sehr wichtig ist auch, dass der Hund gut an der Leine geht und vernünftig sozialisiert wird. Hunde müssen an ihre Umwelt gewöhnt werden, sei es an Rollstühle, Kinderwagen und Kinder, Fahrräder oder Autos, aber auch Nordic Walker, die mit ihren Stöcken klappernd den Hunden entgegen kommen.

Wie sieht Ihrer Meinung nach der ideale Lebenslauf eines Hundes aus?

Giesen Perfekt wäre es, wenn ein Hund in der Familie geboren wird, nicht in einem Zwinger, und mit seinen Geschwistern seine Babyzeit von acht bis zehn Wochen mit seiner Mutter verbringen kann. Dabei muss er natürlich bereits liebevolle Kontakte zu Menschen und eventuell auch anderen Tieren haben. Aufgabe der Züchter ist es meiner Meinung nach, die Leute passend zum Charakter der Hunde auszusuchen.

Also sind die Besitzer oft der Grund dafür, wie ein Hund sich verhält.

Giesen Ja. Viele sehen den Hund inzwischen nicht mehr als Hund, sondern als Ersatz für Kinder, Spielzeug oder Seelentröster, wenn man allein ist. Sie verstehen nicht, dass Erziehung nötig ist, damit der Hund ohne anzuecken durchs Leben kommt. Wenn Hunde Probleme machen, dann empfinden sie das als Stress. Genau wie es für Hunde Stress ist, wenn die Besitzer mit immer neuen und unterschiedlichen Erziehungsversuchen ankommen. Hunde und Besitzer brauchen Klarheit und Linie, genau wie gegenseitigen Respekt.

Aber auch wenn Hunde nicht ideal aufgewachsen sind, ist es nicht zu spät, ihr Verhalten zu ändern?

Giesen Es ist nie zu spät. Hunde leben im Hier und Jetzt, da kann man als Besitzer sehr gut sagen: Ab heute läuft das hier anders.

Was passiert, wenn Hund und Herrchen oder Frauchen dann zu Ihnen in die Hundeschule kommen?

Giesen Am Anfang schauen wir uns an, wo es hapert. Da kommen dann, wie anfangs erwähnt, die Klassiker, der Hund hört nicht. Wir sehen dann, dass der Hund eigentlich derjenige ist, um den sich alles dreht und der gewohnt ist, dass seine Menschen sich nach ihm richten. Sie haben aus der Sicht des Hundes die Aufgabe, ihm Nahrung und Spielmöglichkeiten zu verschaffen. Er macht sein Ding und seine Menschen orientieren sich nach ihm. Wenn aber die Anleitung und Führung durch den Menschen fehlt und keine Regeln vorgegeben werden, dann machen die Hunde natürlich, was sie wollen und übernehmen selber die Initiative. Die Besitzer stehen dann meist hilflos daneben.

Wie zeigt sich das?

Giesen Besonders am Anfang merken die Besitzer nicht, dass etwas schief läuft. Da kommt es zu angeblich lustigen Situationen, wo der Hund nach wenigen Tagen im neuen Zuhause anfängt, andere Hunde und Menschen anzubellen. Und die Menschen machen dann Witze darüber, dass der Hund schon nach so kurzer Zeit so selbstbewusst ist. Oder sie glauben, dass sich das Verhalten bessert, wenn sich der Hund erst einmal eingewöhnt hat. Wir haben hier auch sehr oft richtig freche kleine und Kleinsthunde, bei denen die Besitzer behaupten, die hätten Angst und ihren Hunden dieses Verhalten deshalb erlauben. Das ist aber oft eine völlig falsche Beobachtung, die Hunde haben keine Angst, sondern sind einfach unerzogen und frech. Deshalb werden in der Hundeschule eher die Leute und nicht die Hunde erzogen, wir sind sozusagen die Dolmetscher zwischen Hund und Besitzer.

Was glauben Sie sind die Ursachen für diese Probleme zwischen Hund und Herrchen?

Giesen Viele Menschen machen sich vorher keine Gedanken über Hundehaltung und was für ein Hund zu ihnen passt. Sie holen sich Hunde, die gerade in Mode sind oder die sie in einer Reklame oder bei Bekannten gesehen haben. Oft sind es auch Mitleidskäufe von Viehmärkten in Belgien oder Tötungsstationen im Ausland. Da hat sich in letzter Zeit ein richtiger Markt entwickelt.

Die Menschen holen sich also einfach Hunde, weil sie sie schön finden und nicht, weil sie zu ihnen passen?

Giesen Genau. Momentan sind zum Beispiel die Weimeraner ganz groß in Mode. Die Leute wissen gar nicht, dass das Jagdhunde sind mit entsprechenden Bedürfnissen und Eigenschaften. Sehr beliebt sind aber auch Border Collies, weil sie so schön schwarz-weiß sind. Das sind aber richtige Arbeitshunde, genau wie die sehr beliebten Jack Russels Terrier sind. Da holen sich dann ältere Menschen solche Energiebündel ins Haus. Ein weiteres Problem ist, dass die Menschen wollen, was auffällt, zum Beispiel einen Germanischen Bärenhund. Dass es sich dabei um einen sehr großen Hund mit entsprechenden Bedürfnissen handelt, das merken die neuen Besitzer meist erst dann, wenn es viel zu spät ist.

Christiane Bours stellte die Fragen.

(RP)
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