Haus Oberrschlesien Hösel: Historiker stellt Buch über Gauleiter Fritz Bracht vor

Hösel · Fritz Bracht war der wichtigste Nazi-Funktionär in Oberschlesien. Am Mittwoch wird das Buch über ihn im Haus Oberschlesien vorgestellt.

 Buchautor und Historiker Mirosław Węcki.

Buchautor und Historiker Mirosław Węcki.

Foto: RP/privat

(RP) Der Kulturreferent für Oberschlesien lädt alle Interessierten zur Buchvorstellung im Rahmen der Reihe „Podium Silesia. Beiträge zur Geschichte Oberschlesiens ein“. Der Historiker Dr. Mirosław Węcki stellt am Mittwoch, 23. Juni, um 18.30 Uhr im Haus Oberschlesien sein Buch „Fritz Bracht – Gauleiter und Oberpräsident von Oberschlesien“ vor.

Fritz Bracht war der wichtigste Nazi-Funktionär während des Zweiten Weltkriegs in Oberschlesien. Als Gauleiter (Leiter der regionalen NSDAP) und Oberpräsident (Leiter der Zivilverwaltung) gehörte er zu einer Elitegruppe von Funktionären, denen Adolf Hitler die Verwaltung des besetzten Polens anvertraute. Obwohl er ein entscheidender Teil der NS-Vernichtungsmaschinerie war, wurde über ihn bislang wenig geschrieben. Nun ist vom polnischen Historiker Dr. Mirosław Węcki (Kattowitz) ein Buch herausgebracht worden, „ein erster Versuch eine vollständigere Biografie des Mannes vorzulegen, der für die gesamte Politik des Dritten Reiches gegenüber Oberschlesien verantwortlich war”.

Dieses Buch wurde vom Kulturreferenten für Oberschlesien am Oberschlesischen Landesmuseum, Dr. David Skrabania, übersetzt und ist im Museumsshop käuflich zu erwerben. Für ihn ist das Buch ein wichtiger Beitrag zur Aufarbeitung von NS-Unrecht in Oberschlesien. „Im Gegensatz zu Nazi-Größen wie Hans Frank, Arthur Greiser, Albert Forster oder Erich Koch ist Bracht im Schrifttum bislang zu wenig thematisiert. Dabei ist es der Mann, der an vielen NS-Verbrechen Mitschuld trägt und für die Umsetzung der NS-Volkstumspolitik in diesem Bereich verantwortlich ist“, sagt der promovierte Historiker und Slawist. Daher könne man schon sagen, dass es sich hier um ein außerordentlich wichtiges Werk handelt.

Der 1899 in Heiden-Lippe geborene Fritz Bracht gehörte zu einer Generation von Deutschen, deren Sozialisation in den Schützengräben des Ersten Weltkriegs stattfand. Einige Jahre nach Kriegsende wurde er Anhänger der neuen Gruppierung auf der politischen Landkarte Deutschlands, der NSDAP. Bereits 1926 trat er in die Partei ein, was ihm später den Status eines im Dritten Reich verehrten „alten Kämpfers“ einbrachte. Er kletterte schnell die Leiter der Parteihierarchie hinauf. Ende der 1930er Jahre leitete er die NSDAP-Strukturen im Gau Schlesien de facto schon in Eigenverantwortung. Nach Kriegsausbruch überwachte er den Aufbau des Parteiapparates in dem vom Dritten Reich annektierten, polnischen Teil Oberschlesiens. Im Januar 1941 wurde er zum Gauleiter und Oberpräsidenten des neu geschaffenen Gaues Oberschlesien ernannt und gehörte damit zu jenen Würdenträgern der NSDAP, die Adolf Hitler als seine „Vizekönige“ bezeichnete. Der gelernte Gärtner Bracht wurde so zum Verwalter des zweitwichtigsten Industriegebietes des Dritten Reiches. Ein wichtiges Feld seiner Tätigkeit war die verbrecherische Volkstumspolitik, die auf eine vollständige „Eindeutschung“ der Bewohner Oberschlesiens abzielte. Er beobachtete persönlich den Prozess der Ermordung der Juden in den Gaskammern im KZ Auschwitz-Birkenau, einem der schrecklichsten Todeslager der Nazis. Zum Ende des Krieges bereitete er fanatisch seinen Bezirk auf die Verteidigung gegen die Rote Armee vor. Im Januar 1945 scheiterte sein Plan, die Menschen aus dem oberschlesischen Industriegebiet zu evakuieren, an der Geschwindigkeit des sowjetischen Vormarsches. Am 9. Mai 1945 begingen er und seine Frau im niederschlesischen Kurort Bad Kudowa Selbstmord. Zweifellos entkam er auf diese Weise dem zu erwartenden Prozess wegen seiner Kriegsverbrechen und wahrscheinlich auch der damit verbundenen Todesstrafe.

Mirosław Węcki, Historiker, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Geschichte der Schlesischen Universität in Kattowitz und dem Historischen Forschungsbüro des Instituts des Nationalen Gedenkens in Kattowitz. Sein Forschungsschwerpunkt ist die Geschichte Oberschlesiens in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, insbesondere in der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur.

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