Heiligenhaus Historiker arbeiten die Nazizeit auf

Heiligenhaus · Stadtgeschichte: Texte und Fotos zur Zeit 1933 bis 1945 in der Stadt erscheinen nach einer großen Ausstellung als Buch.

 Stadtarchivar Hartmut Nolte hat nach der aufsehenerregenden Ausstellung im Rathaus eine Dokumentation zur NS-Zeit vorgelegt.

Stadtarchivar Hartmut Nolte hat nach der aufsehenerregenden Ausstellung im Rathaus eine Dokumentation zur NS-Zeit vorgelegt.

Foto: A. Blazy

Sechs junge Männer stehen vor der Efeu-Fassade des Rathauses, ein weiter sitzt auf seinem gepackten Koffer. Mit wachem, offenem Blick schauen sie alle in die Kamera; die einen etwas skeptischer, die anderen mit einem leichten Lächeln auf den Lippen. Sie haben Zigaretten in der Hand und gepackte Koffer oder geschnürte Pakete dabei. Das Foto, für das die jungen Heiligenhauser in Anzug und mit Krawatte oder Fliege posieren, ist gut 80 Jahre alt. Der Bus auf den sie warteten, führte die zur Wehrmacht einberufenen Jungs an die Front. Wie viele von ihnen zurückkamen, ist unbekannt.

Dieses Schwarz-Weiß -Foto ist eines von mehr als 200 Aufnahmen, die in der Ausstellung "Heiligenhaus in der NS-Diktatur 1933 bis 1945" im Rathaus zu sehen waren und sie alle zeigen vor allem den Alltag der Heiligenhauser. 81 Jahre ist es her, dass Adolf Hitler die Macht an sich und ein Land mit sich riss. Der Abgrund von damals scheint weit weg, acht Jahrzehnte haben jedoch nicht nur eine zeitliche Distanz geschaffen.

In Heiligenhaus wird die Geschichte der Nazizeit seit Jahren in mehreren bemerkenswerten Arbeiten dargestellt und analysiert. Den Anfang machte im Jahr 2007 eine Schülerdokumentation. Gesamtschüler befragten Zeitzeugen. Der provokante Titel des Films "Heil Heiligenhaus". Der Film wurde seither zu zahlreichen Gelegenheiten öffentlich gezeigt.

Zum Volkstrauertag im vergangenen Jahr eröffnete Bürgermeister Dr. Jan Heinisch deswegen die Ausstellung, die aufgrund ihrer Intensität viele Besucher fesselte und auf vielfachen Wunsch verlängert wurde. Dank Sponsoren wie der Kreissparkasse Düsseldorf und der "Druck und Medien Heiligenhaus GmbH", wurde es auch möglich, die Fotos und Informationen der Ausstellung in eine Broschüre zu verpacken, die für einen Euro zum Beispiel im Bürgerbüro erworben werden kann. Auf den 82 Seiten wird dabei deutlich, wie schnell sich der Nationalsozialismus im Alltag der Heiligenhauser ausgebreitet hat. Auf einem Großteil der Bilder sind Menschen in Uniformen zu sehen. "Das Böse der NS-Zeit war nicht nur im Konzentrationslager, an der Front und in der Reichskanzlei. Es hatte seine lokale Basis, ohne die es nicht hätte existieren können", sagte der Bürgermeister in seiner eindrücklichen Eröffnungsrede, die ebenfalls in der Broschüre abgedruckt ist. "Durch unser Wissen, was hier geschah, werden Orte und Begebenheiten zur Mahnung an das Unrecht."Die Ausstellung und nun die Broschüre zeigen dabei nicht nur Örtlichkeiten, die zum Alltag gehörten, sondern vor allem eines: die Gesichter der NS-Zeit hier im Ort. "Die Geschichte hat nicht 1945 aufgehört; die Menschen haben weiter gelebt", sagt der Bürgermeister. "Die Vergangenheit musste vom Staat und von jedem Einzelnen bewältigt werden." Umso wichtiger also das Gedenken an die Menschen, die gelitten haben und die diese Zeit nicht überlebt haben, wie der Klempner Karl Aron und seine Frau Rosa. Sie verließen ihr Geschäft in der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938. Am 22. November wurden die Leichen des Paares, aneinandergebunden, aus der Ruhr in Kettwig gezogen. Offiziell: Selbstmord. Aber auch die Zwangsarbeiter, die, so eine Bildunterschrift "in ihrer Behandlung eine große Bandbreite erfuhren, von offener Schikanierung durch manche Vorarbeiter bis zur mitfühlenden Menschlichkeit bei einfachen deutschen Arbeitskollegen." Die Andersdenkenden, wie Franz Frerich, von Beruf Dreher, der wegen "Wehrkraftzersetzung" zum Tode verurteilt und am 28. August 1944 durch das Fallbeil hingerichtet wurde.

(sade)
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