Heiligenhaus Hier kommen Experten zum Zug

Heiligenhaus · Rund um den alten Bahnhof werden Ideen für die künftige Gestaltung sichtbar. Restaurateure kümmern sich gerade um einen 100 Jahre alten Waggon auf den Gleisen. Pläne gibt es am Panoramaradweg auch für den alten Kornspeicher.

In einer Ecke liegen Emailschilder. Schwarze Schrift auf weißem Grund: "Nicht öffnen, bevor der Zug hält." "Zu." "Offen." In einer anderen: Tür- und Fenstergriffe, runde Bakelit-Lichtschalter. Im Nebenraum lehnt eine verglaste Holztür an der Wand. Auch die ist unmissverständlich beschriftet: "Nicht in den Waggon spucken." Der Besucher muss sich erst einfinden in die Puzzlestücke.

Für Vadim Khmelnytskyy sind sie Alltag — genau so wie das ganze stählerne Ungetüm, das am alten Bahnhof unter Planen verdeckt steht. Hier restaurieren fünf Jugendliche unter fachlicher Anleitung einen historischen Bahnwaggon. Dessen Chassis und Aufbauten haben es buchstäblich in sich, wie die Mitarbeiter des Caritas-Beschäftigungsprogramms schnell gemerkt haben. Aber eines ist für Khmelnytskyy jetzt schon klar. "Das wird ein Prachtstück."

Infernalischer Lärm

Aus der Entfernung ist zurzeit vom Geschehen mehr zu hören als zu sehen. Wer am alten Schuppen um die Ecke biegt — nachdem er ein Wandgemälde bestaunt hat, das Schlotschmet, Heiligenhauser Kirchen und die Waggonbrücke zeigt — findet schnell den Grund für zeitweise infernalischen Lärm: ein Sandstrahlgebläse.

Sackweise aufgeschichtet vor dem Waggon auf den Gleisen liegt "Sakresiv Strahlmittel" in gelbbraunen Säcken. Dem kann kein Rost widerstehen. "Wir beschäftigen uns damit, die Stahlteile des Waggons in Originalzustand zu versetzen", sagt der Projektleiter. An alle Details ist gedacht. Sogar der alte grüne Farbton der historischen Reichsbahn ist noch zu haben. Man muss ihn nur beschaffen.

Das heißt: entrosten, schweißen, grundieren, lackieren. Größter Feind beim Entrosten ist Feuchtigkeit. Deshalb müssen die Arbeiten bei miesem Wetter regelmäßig unterbrochen werden, da nützen dann auch die grünen Planen nichts.

Aber es gibt schließlich noch ganz andere Dinge zu tun. Mit Experten ins Gespräch kommen, zum Beispiel. "Sie glauben gar nicht, wie viele Bahnfans schon mit Büchern unterm Arm hier waren und uns Tipps gaben", erfährt der Besucher. Denn die Arbeit läuft keineswegs nach dem Motto: Rost weg, Farbe drüber, fertig. "Wir entziffern jede alte Beschriftung und stellen sie originalgetreu wieder her", sagt der Projektleiter stolz. Und man verlässt sich nicht nur auf den Rat der bahngeschichts-kundigen Besucher.

"Unsere Jungs haben selbst schon Daten und Schriften gefunden." Wieder einige Puzzlestückchen mehr. Khmelnytzkyy zählt auf: "Die alte Plattform des dreiachsigen Wagens stammt von 1902, eine Achse ist von 1913, wir haben aber auch Ersatzteile von 1932 und 1937 gefunden." Für die fünf jungen Männer ist die Arbeit ein sehr spezielles Projekt. Sie dient der Berufsqualifizierung.

Mit ihren Programmen ist die Caritas seit zwei Jahren in der Stadt vertreten. Das Projekt am Bahnhof sieht man als Gewinn für beide Seiten. Im Raum mit den alten Originalteilen — er dient auch als Aufenthaltsraum — hängen übrigens schon fantasievolle Animationen an der Wand. Dargestellt ist ein mit Salamandern bemaltes Silogebäude, an dem sich Hobbykletterer abseilen. Zukunftsmusik zur Eisenbahnhistorie.

(RP)
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