Ratingen Helfer waren Tag und Nacht im Einsatz
Ratingen · Feuerwehrleute berichten nach ihrer Rückkehr aus dem Flutgebiet von großer Hilfsbereitschaft und Dankbarkeit.
Die Spuren des Einsatzes waren gestern noch deutlich in den Gesichtern zu sehen. Nicht alle Kollegen der Feuerwehren, die am Mittwochabend vom Fluteinsatz aus Magdeburg zurückgekehrt sind, waren schon ausgeschlafen. Stellvertretend für ihre Kameraden, die seit vergangener Woche fast Tag und Nacht gegen das Hochwasser gekämpft hatten, berichteten Jens Dietl, Torsten Schams und Ulrich Herbrand von ihrem "Fronteinsatz".
Viele hätten die Situation als "kriegsähnlich" empfunden, sagte Schams. Das begann schon mit dem Abmarschbefehl der Bezirksregierung, die die Bezirksbereitschaft alarmierte: Sie wurde vor Jahren eigens für solche Katastrophenfälle gegründet. Innerhalb einer Viertelstunde mussten die Arbeitgeber informiert werden, kurz darauf waren die Sachen gepackt, dann ging es im Konvoi nach Magdeburg. In Schönebeck wurde die Sandsackfüllanlage des Kreises besetzt. Am Samstagabend musste die zweite Truppe los: Der Ruf ereilte die meisten Kollegen bei einer Hochzeitsfeier eines Kameraden.
Die Füllanlage, deren Standort einfach nur "Sack und Sand" bezeichnet wurde, lief zuletzt ohne Unterbrechung, so Jens Dietl. Er ist im Hauptberuf Polizist in Ratingen und war ebenso wie Torsten Schams, stellvertretender Wehrchef, und Vertriebsleiter Ulrich Herbrand als freiwilliger Wehrmann vor Ort. Während des Einsatzes sei es zum Bruch eines provisorischen Dammes in Schönebeck gekommen: "Die Wohnsiedlung wurde geflutet." Auch die Kollegen der Feuerwache hatten Angst und vorsorglich alles in Sicherheit gebracht. Hubschrauberpiloten des Militärs warfen mitten in den überfluteten Gassen unter Lebensgefahr Sandsäcke ab, um die Fluten einzudämmen: "Andere Piloten hätten das nicht geschafft."
Bei "Sand und Sack" schufteten auch unzählige "Zivilisten", wie sie im Jargon der Profis genannt werden. Sie hatten sich über Facebook verabredet — überwiegend jüngere Leute. Alles, was Räder hatte, war unterwegs. Auch ÖPNV-Busse sind zum Transport der Sandsäcke eingesetzt worden. Schams organisierte gemeinsam mit Kollegen der Bezirksbereitschaft den Bau eines fünf Kilometer langen und bis zu 1,5 Meter hohen Sandsack-Schutzwalles rund um ein Kraftwerk im Industriehafen Magdeburg: Etwa 3000 Kräfte waren dort im Einsatz. Ein Ausfall des Kraftwerkes hätte für Monate das Aus in weiteren Teilen Magdeburgs bedeutet und auch den Hilfseinsatz zum Erliegen gebracht.
Um das Kraftwerk zu retten, habe man die Siedlung mit etwa 3000 Bewohnern hinter einem weiteren Deich "opfern" müssen, so Schams. Ein provisorischer Deich sei absichtlich nicht völlig geschlossen worden, sonst hätten sich die Wassermassen davor gestaut und das Kraftwerk bedroht. Das hätten die Bewohner aber nicht verstanden. Sie hätten versucht, selbst die Lücke zu schließen. Es müssen sich dramatische Szenen abgespielt haben.
Was die Helfer besonders beeindruckt hat, waren die enorme Hilfsbereitschaft und die Dankbarkeit der Bevölkerung. "Uns haben Grundschulklassen mit Kuchen versorgt. Kinder sind morgens gekommen und haben uns Kleidung angeboten", sagte Herbrand bewegt. Das sei echtes "Gänsehaut-Feeling" gewesen. Eine solche Dankbarkeit erlebe man in NRW nicht, sagte Schams.