Heiligenhaus So funktioniert Lernen am Bildschirm

Heiligenhaus · Praktisch vom Tag eins der Schulschließung an sind die Realschüler und ihre Lehrer mit Aufgaben, Lösungen und Unterricht per Chat digital unterwegs. Das funktioniert prinzipiell, hakt aber noch an vielen Stellen. Eine Zwischenbilanz aus praktischer Sicht.

 Buch plus Laptop - zum Lernen gehört daheim beides.

Buch plus Laptop - zum Lernen gehört daheim beides.

Foto: dpa/Stefan Puchner

(RP) Schon in den ersten beiden Tagen der Corona-bedingten Schulschließung – zuerst noch mit Notbetreuung, die aber so gut wie nicht gefragt war – stand für Sonia Cohen fest: Der Umstieg auf digitalen Unterricht beginnt sofort. Genauer, wie die Leiterin der Realschule am Nordring sagte: Er wird ausgedehnt. Denn fremd war das so genannte „Digitale Klassenbuch“ den Schülern schon vorher nicht. Die Schulleiterin und Lehrer Carsten Jansen erklären, wie das bisher funktioniert. Beide machen aber auch kein Geheimnis darum, dass speziell auf diesem Gebiet viel zu tun übrig bleibt. Und dass die neuen Arbeitsformen für keine der beteiligten Seiten ein Selbstläufer ist.

So sehen die technischen Möglichkeiten für Gruppenunterricht aus: Es gibt derzeit keine einheitliche Plattform, die den Schülern angeboten werden kann. Es können bekannte, frei verfügbare „Hausmittel“ eingesetzt werden wie WhatsApp oder Houseparty, aber diese werden von der Schule nicht vorausgesetzt, weil sie datenschutztechnisch bedenklich sind. Gruppenarbeit wird daher aktuell nicht eingeplant. Für „Unterricht“ oder auch Besprechungen wie unseren Klassenrat kann man Videokonferenzen ansetzen, die man heutzutage mit Hilfe von online-Anbietern einfach organisieren kann.

So ziehen Schüler mit: Über unser digitales Klassenbuch kann der Netzwerk-Admin sehen, wie viele Schüler online sind bzw. waren. Das lässt derzeit auf eine Nutzung von ca. 50 Prozent schließen. Hier ist die Tendenz übrigens steigend.

Das digitale Klassenbuch Vorzüge gegenüber Unterricht im Klassen- oder Fachraum: Da man ohnehin auf die Nutzung des Internet angewiesen ist, kann man auch die Recherche im Internet oder netzbasierte Inhalte als Unterrichtsbestandteil einsetzen. So kommen Videos häufiger zum Einsatz. Das „simuliert“ im gewisser Weise die Anschaffung digitaler Geräte für die Schule. Weil jeder Schüler ein eigenes Gerät benutzt und es keine einheitlichen Schulstunden mehr gibt, kann jeder Schüler auch in ihrem eigenen Tempo arbeiten und ein Video stoppen, zurückspulen, mehrfach ansehen. Das gilt natürlich auch für alle anderen Arbeitsaufträge, die im Klassenverband üblicherweise durch das vorgegebene Stundenraster begrenzt sind.

Sind Prüfungen oder Prüfungsvorbereitungen machbar? Theoretisch sind Prüfungen denkbar, aber momentan vom Ministerium nicht vorgesehen und auch nicht erlaubt. Aufgrund der Neuartigkeit der kompletten Umstellung auf digitales Lernen wäre das auch für unsere Schüler und auch das Lehrpersonal eine zu große Herausforderung. Das müsste deutlich mehr standardisiert, vorbereitet, geschult und eingeübt werden.

So geht das mit dem Online-Stundenplan: Bei uns funktioniert das, da wir die Arbeitsaufträge an die jeweiligen Unterrichtsstunden im digitalen Klassenbuch „anheften“ (als „Hausaufgaben“). Das gibt den Schülern Struktur und vereinfacht die Orientierung, welche Aufgaben gemacht werden müssen. Gleichzeitig trägt das auch in gewisser Weise dazu bei, dass den Schüler nicht zu viel oder zu wenig aufgegeben wird.

Gibt es auch Lehrerkonferenzen via Bildschirm? Bislang keine, aber das ist sicherlich denkbar. Die Frage ist dabei jedoch, inwiefern das erforderlich ist, denn in dieser besonderen Situation könnten Beratungen auch über den Messenger und eine nachgelagerte Abstimmung asynchron erfolgen.

So waren die Schüler auf den Umgang mit der Technik vorbereitet: Leider eher schlecht. Es gibt immer noch einige Schüler, die keinen Zugang zu einem PC haben und alles an ihren Smartphones machen müssen. Dann gibt es natürlich auch noch wenige, die kein Smartphone zur Verfügung haben, so dass es noch schwieriger wird. Hier wurde vor allem gewünscht, mehr mit den Büchern zu arbeiten. Und dass derzeit keine öffentlichen Räume für Wlan genutzt werden können, ist definitiv ein Nadelöhr.
Gleichzeitig wurde der Umgang mit dem Messenger erst zu Beginn der Schulschließungen eingeführt und war daher gar nicht geübt. Auch der Umgang mit externen Lernplattformen (z.B. Medienzentrum) wird nun zwar sporadisch eingesetzt, ist aber nicht eingeübt.

Gut zwei Wochen nach dem Start gibt es eine verblüffende Erkenntnis, was das digitale Klassenbuch angeht: Die Heimarbeit klappt doch besser als erwartet. Es kann die Schüler auch motivieren, zu Hause zu arbeiten. Teilweise werden sehr ausführliche und ausgefeilte Ergebnisse abgeliefert, und Neuerungen wie externe Lernplattformen werden sehr schnell angenommen.

Aber es gibt noch Verbesserungsbedarf und -möglichkeiten: Einheitliche Plattformen, Arbeitsmaterialien und -geräte. Hätten alle Schüler bereits Tablets oder Laptops gehabt, wäre die digitale Aufgabenvergabe und -bearbeitung sicher noch leichter gewesen. Die Aktivierung der Logineo-Lernplattform hätte sicher auch einiges erleichtert. Für all dies sind oder wären aber auch umfangreiche Schulungen der Lehrer erforderlich.

So klappt es mit dem Lernen daheim: Am besten ist es, vergleichbar zum Schulalltag feste Lernzeiten einzurichten. Schön ist natürlich, wenn Eltern sich die Aufgaben gemeinsam mit ihren Kindern ansehen. Die Stimmung muss einfach gut sein, es geht auch um den achtsamen Umgang miteinander.

 Erfahrungen mit Eltern-Reaktionen gibt es auch schon: Es gibt definitiv mehr Eltern-Rückmeldungen. Die Reaktionen reichen von Lob für das Lernangebot bis zu Beschwerden. In Erinnerung ist der Anruf einer Mutter mit mehreren Kindern: Sie müsse jetzt verschiedene Systeme von verschiedenen Schulen mitlernen.

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