Campus Ingenieurinnen haben ein eigenes Netzwerk

Heiligenhaus · Die Mathematikerin und Campus-Professorin begeistert Frauen für MINT-Fächer. Dafür gibt es eine Plattform.

 Prof. Dorothee Feldmüller (links) und ihre studentischen Hilfskräfte von „Womengineer“, Janine Kaspers (Mitte) und Habibe Sen.

Prof. Dorothee Feldmüller (links) und ihre studentischen Hilfskräfte von „Womengineer“, Janine Kaspers (Mitte) und Habibe Sen.

Foto: RP/LUKAS PALIK FOTOGRAFIE

Die Mathematikerin Dorothee Feldmüller ist am Campus Velbert/Heiligenhaus Professorin für Wirtschaftsinformatik. Vor drei Jahren gründete sie das Netzwerk „WomEngineer“, das Frauen für technische Berufe begeistern und vernetzen will.

Was ist für Sie das Spannende an der Mathematik?

Feldmüller Mathematik sucht und findet Regeln und Strukturen und beweist, dass sie gültig sind. Diese Klarheit und Ordnung hat auch etwas Ästhetisches! Wenn man sich damit auseinandersetzt, sind die kleinen, für den Kopf verbundenden Herausforderungen spannend. Ich finde es wichtig zu betonen, dass vielleicht nicht jede und jeder die Herausforderungen mag, wenn sie abstrakt formuliert sind, aber wir brauchen und nutzen sie alle im Alltag und ich halte Mathematik als für jede und jeden in gewissem Maße erlernbar.

Welche Herausforderungen haben sich Ihnen auf Ihrem Lebensweg gestellt, die ein männlicher Kollege so in der Form eher nicht erlebt hat?

Feldmüller In meiner Generation war es noch eher üblich, dass Frauen für ihre Familie ihre berufliche Entwicklung zurückgestellt haben. Dass und wie ich Familie und Beruf miteinander vereinbart habe, musste ich mir sehr individuell erarbeiten und sogar vor engen Angehörigen verteidigen. Als ich die erste Führungsposition hatte, kam ein Mitarbeiter zu mir und sagte, dass er sich nicht vorstellen könne, von einer Frau geführt zu werden. Er hat das später zurückgezogen. Diese Offenheit hat mir sehr gefallen. Dies nur als zwei Beispiele…

Gibt es immer noch Vorurteile gegenüber Frauen in technischen Berufen?

Feldmüller Dazu haben wir auch Befragungen unter den Studierenden gemacht. Wenn eine Frau im Studium oder im Beruf ist, gibt es kaum noch Vorurteile in dem Sinne „Die sind nicht so gut geeignet“. Die Vorurteile beziehungsweise die stereotype Wahl von Studium und Beruf, die gesellschaftlichen Prägung außerhalb der Technik, die schon im Kindergarten anfängt, machen es nach wie vor schwer, dass sich Frauen überhaupt für einen technischen Beruf entscheiden.

Woran liegt es, dass Frauen in den MINT-Bereichen seltener vertreten sind?

Feldmüller Es gibt die historische Entwicklung, die über lange Zeit technische Berufe als Männerberufe definiert hat, die es noch zu überwinden gilt. Dies ist vor allem wichtig, weil Technik, insbesondere Informatik, eine immer größere Bedeutung für unser Leben bekommen, und es werden viele qualifizierte Menschen gebraucht um das mitzugestalten, und bitte auch mehr Frauen. Die bis heute andauernde Situation, dass Frauen in vielen MINT-Bereichen in der Minderheit sind, ist schwieriger zu überwinden als gedacht. Als ich studierte, glaubte man, dass es bald überwunden sei, was aber bis heute nicht gut gelungen ist. Und das liegt auch an den bereits genannten gesellschaftlichen Prägungen. Das fängt schon beim Kinderspielzeug an. Und liegt auch an den Bildern, die über technische Berufe transportiert werden.

Welche Strukturen braucht es in akademischen Kreisen, um Mädchen und Frauen stärker für den MINT-Bereich zu begeistern?

Feldmüller Technische Entwicklung ist Teamarbeit, braucht Verständnis für die Bedürfnisse des Kunden, beinhaltet viel Kommunikation – alles Fähigkeiten, bei denen Frauen punkten können – ok, das ist wieder ein Stereotyp, aber da ist ja auch etwas dran. Viele denken bei Technik an eine Person, die allein an einer Maschine tüftelt. Auch die Erfüllung und der Abwechslungsreichtum in einer Tätigkeit in der Technik müssen besser in die Gesellschaft übermittelt werden. In akademischen Kreisen müssen die benötigten Fähigkeiten – technisches Verständnis UND Kommunikationstalent – besser verdeutlicht werden, aber – wie bereits gesagt – auch außerhalb „akademischer Kreise“. An der Hochschule sind Frauen in der Technik willkommen, und viele Unternehmen sind mittlerweile auch engagiert darin, Frauen anzusprechen und bei der Stange zu halten.

Was macht der Campus Velbert/Heiligenhaus oder auch die Hochschule Bochum anders?

Feldmüller Die Hochschule Bochum ist eine kleine Hochschule, und der Campus Velbert/Heiligenhaus ist besonders familiär. Es gibt viele Angebote für Schülerinnen, und seit einiger Zeit auch das Angebot des Frauennetzwerks „WomEngineer“ für die Studentinnen und alle Mitarbeiterinnen der Hochschule. Das eröffnet den Frauen mehr Möglichkeiten, andere Frauen in der Technik kennenzulernen und aus der „Vereinsamung“ herauszukommen. Es können direkte Kontakte zu sogenannten Rollen-Vorbildern entstehen, zum Beispiel die Studienanfängerin kann Studentinnen kennenlernen, die kurz vor dem Abschluss stehen oder Absolventinnen, die gerade den Berufseinstieg gemeistert haben. Typische Herausforderungen für Frauen können und werden thematisiert, auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die nach wie vor mehr ein Thema der Frauen ist. Als kleine Hochschule haben wir da sicher den Vorteil, dass wir mehr auf Basis persönlicher Kontakte und weniger im Massenbetrieb arbeiten.

Was würden Sie sich für die Zukunft des Netzwerkes wünschen und was würden Sie jungen Frauen aber auch Männern für die Zukunft der Zusammenarbeit in technischen und naturwissenschaftlichen Berufen mit auf den Weg geben wollen?

Feldmüller Für die Zukunft wünsche ich mir ein weiter starkes Netzwerk von starken Frauen und starke Männer, mit denen wir zusammenarbeiten und die keine Angst vor Frauen-Netzwerken haben – die Männer praktizieren das ja auch. Und wenn wir in allen technischen Bereichen bei etwa 30 Prozent Frauen sind, wird es normaler, Frauen in den Reihen zu haben, damit wird es für alle leichter… und eine Bereicherung!

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