Heiligenhaus Frau Kühne denkt über den Alltag nach

Heiligenhaus · Die Niederrheinerin hatte im Heiligenhauser Club kein Problem damit, von Hölzken auf Stöcksken zu kommen.

 Requisiten? Wozu denn das? Wenn Frau Kühne ins Nachdenken gerät, sind die Ergebnisse selbsterklärend.

Requisiten? Wozu denn das? Wenn Frau Kühne ins Nachdenken gerät, sind die Ergebnisse selbsterklärend.

Foto: Ostermann, Olaf (oo)

Ralf und Sven haben es weiß Gott nicht einfach. Als Ehemann und Sohn von „Frau Kühne“ kriegen beide im neuen Programm „Okay. Mein Fehler“ ordentlich ihr Fett ab. So hat Sven jetzt seinen Führerschein und beim „Betreuten fahren“- Sven ist erst siebzehn- muss der junge Mann mit der Mutter auf dem Beifahrersitz so einiges aushalten. „Boah, da is da dat Stoppschild und wat macht der. Der bleibt da stehn und fährt nicht weiter. Ich sach, Sven, bis drei zählen, ja, aber Sekunden, nich Stunden“, poltert die Kabarettistin los, „oder wartese dat dat Stoppschild grün wird?“

Ingrid Kühne, 50 Jahre, „Kodderschnauze“, leicht korpulent, leger gekleidet, lässt nichts unkommentiert, alltägliche Situationen, die jeder kennt- Chipsessen vor der Glotze, telefonieren mit Mama- persifliert sie so gekonnt, dass manch ein Besucher vor Lachen fast vom Stuhl kippt. Dabei bedient sich die Xantenerin nicht nur der Kraft der Worte und ihres niederrheinisch- ruhrpöttischen Dialektes, sie beherrscht die großartige Kunst, mit wenig Mimik und Gestik viel zusagen. Es ist dieses leicht genervt- verdatterte, leicht spöttische um die Mundwinkel, gepaart mit phlegmatischer Körpersprache (mit dem Arm etwa müde abwinken), dass Ingrid Kühne so authentisch wirken lässt in der Rolle, die sie verkörpert- obwohl man fast dazu tendiert zu glauben, dass sich die Kabarettistin gar nicht verstellt, ondern schlicht ihr komisches Naturell erkannt und auf die Bühne gebracht hat. Wenn etwa Ralf, seit 24 Jahren ihr Ehemann, „de gute Teller für de Schnittchen nimmt und nicht de Brettchen“, dann ist die gespielte Empörung auf der Bühne groß, aber denkbar wäre, dass Ralf tatsächlich für diese unverschämte Tat, zu Hause am Niederrhein, zur Rechenschaft gezogen wurde. Ingrid Kühne nimmt die Menschen um sich herum gerne liebevoll auf die Schippe, am allermeisten aber nimmt sie sich selbst und vor allem ihr Körpergewicht nicht allzu ernst „Ich finde dat mit dem Teilen können is wichtig, aber es gibt Dinge, die teilt man nicht. Zum Beispiel Chips, ungarisch“, lässt sie ihr Publikum wissen, „auch nicht mit Ralf.“

Die 140 Besucher im Club sind begeistert, die hochkarätige und authentische Situationskomik gefällt. Dabei kommt „Frau Kühne“ so nahbar, so kumpelhaft und ungeschnörkelt rüber, dass man glatt vergessen könnte: dies hier ist einstudiertes Bühnenprogramm-. Nachdem die Kabarettistin etwa ihr altes Geschirr „vonne Omma“ beschrieben hat, möchte sie wissen, ob es im Publikum Besitzer des gleichen Service gibt. „Ne, ne wir haben ein anders“, wirft ein älterer Herr aus den ersten Reihen ein, „eins von Villeroy&Bosch, das gefällt uns besser.“ Und so erreicht die Künstlerin ohne jegliche Requisiten, ohne Showeinlagen, ohne Sexthemen, dass ihr die vorwiegend älteren Besucher ab 50 zwei Stunden an den Lippen hängen, Tränen lachen und sie ohne Zugabe nicht von der Bühne lassen. Frau Kühne macht eins ganz deutlich: Im zwischenmenschlichen Bereich gibt es jede Menge zu lachen, man muss die Dinge nur manchmal von der anderen Seite aus betrachten. Oder, wie sie es selbst sagen würde: „Ja, wir Dicken sterben eher, dafür essen wir länger.“

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