Portrait Heidi und Sigrun – die besonderen Zwillinge
Die beiden Damen gehen seit 80 Jahren gemeinsam durchs Leben und haben sehr viel Spaß daran. Witze werden gern notiert.
Heidi sieht ein bisschen so aus, als könne sie Miss Marple sein. Und Sigrun hat auch so etwas, wie es sich Agatha Christie für ihre Krimifigur hätte ausdenken können. Und überhaupt gleicht Heidi Sigrun. Alles klar: Die beiden Damen sind Zwillinge, eineiige dazu. Und sie haben Seit’ an Seit’ 80 Lebensjahre durchgehalten – in den gleichen Söckchen damals und mit dem identischen Rollator heute.
Bürgermeister Klaus Pesch besucht bei seinen Senioren-Gratulationen hin und wieder Zwillinge, bei denen einer schon gestorben ist. Diesmal aber traf er noch das intakte muntere Gespann in vollem Leben. Es ist fast unglaublich – die beiden älteren Damen wuseln so fröhlich, nehmen sich gegenseitig auf die Schüppe und können immer da in einen Satz einsteigen, den die Schwester wegen Durchatmens oder Nachdenkens gerade mal verlassen hat. Sie kennen die Stories ihrer beider Leben aus dem Effeff und können sie wechselseitig beginnen und zu Ende führen.
Sie haben Einzelhandelskauffrau gelernt, ihre Jugend als die Schwestern Hübel auch beim Opa verbracht und sich, wie sie wacker betonen, unglaublich gut mit ihrem Bruder verstanden. Der wiederum ist nach Illinois ausgewandert – mit einer deutschen Frau. Und dann folgt die Schilderung des ersten Fluges in die USA und der weiteren Besuche, die regelmäßig alle drei Jahre anstanden. Die Mutter hatte ihre beiden Mädchen zum Sparen angehalten – und das klappte.
Und – wie war das beim ersten Flug? Der fand natürlich im Cockpit statt, mit der Begeisterung einer ganzen Besatzung. Wenn die beiden so erzählen, kann man sicher sein, dass sich jede Mark gelohnt hat, die sie in die Touren gesteckt haben. Sie berichten vom Mississippi und von einem Hurrikan, um den sie ihr Bruder mit dem Auto herumgefahren hat, von einem Football-Spiel und dem unglaublich großen Amerika.
Man braucht kein Radio und kein Fernsehen, wenn die Schwestern zum Erzählen anheben. Und – falls mal ein ihnen unbekannter Witz erzählt wird – holt Heidi ein Oktavheft raus und schreibt ihn auf. Man kann sicher sein, dass er dann auch noch im Seniorenkreis in Hösel Verwendung findet. Dorthin gehen die beiden mit großer Freude. 15 Treppenstufen runter, ran an den Rollator, und los geht’s. Da sie sich nicht zanken, haben sie ziemlich viel Zeit für Spaß an dem Leben, dass sie vor 16 Jahren wieder in einer Wohnung zusammengeführt hat. Da waren Heidi Aschwanden und Sigrun Reisch verwitwet und entschieden sich für diese Wohnung.
Sie sind allerdings nicht ganz ohne jüngere Kontrolle in ihrem Altersglück: Enkelsohn Tom kommt regelmäßig vorbei, kauft für sie ein und kocht mit ihnen gemeinsam. Gut bürgerlich, versteht sich. Und Sohn Stefan Reisch denkt sich lustige Unterhaltungs-Glücksmomente für die Damen aus. So gab es eine flotte Tour über den Nürburgring, die Heidi knallhart ihren beiden Herzinfarkten zumutete, und die Erfüllung des Herzenswunschs von Sigrun, eine Aufführung von Starlight Express anzuschauen. Da solche Events nicht einfach angesteuert, sondern geheimnisvoll angeschlichen werden, ist die Freude immer groß. Sigrun und Heidi können sich unglaublich schön freuen.
Sie sind beide am politischen Geschehen interessiert, sind gerne gemeinsam unterwegs („damit man nicht immer gefragt wird, ob mit der Schwester noch alles in Ordnung ist“), haben auch ihre Zipperlein. „Was soll denn das ganze Gejammer – das hilft doch niemandem und macht nur schlechte Laune.“ Sie machen sich gern schick, auch gern mit gleichen Klamotten, machen sich gegenseitig auf den Sitz der Frisur aufmerksam und meckern ein bisschen, wenn das mal versäumt wird. Es gibt sicher hier und da unterschiedliche Meinungen, aber eine ist klar, zum Schreien komisch und keinesfalls zu verändern: Ihr Urteil über das Fachblatt der Lintorfer Heimatfreunde, die „Quecke“. „Die ist eindeutig zu sehr katholisch.“ Basta.