Ratingen Für Ratingen wurde der Wald gerodet
Ratingen · Beim Lintorfer Heimatverein ging es um Forschungen zu Ortsnamen. Die Silbe -broich bedeutet Bruchland.
Paul Derks gastierte mit Forschungen zu Ortsnamen bei den Lintorfer Heimatfreunden und lieferte einen bemerkenswerten Auftritt ab. Der Emeritus lehrte als außerplanmäßiger Professor und Privatdozent an der Universität Duisburg-Essen. Seine Adresse ist die der Germanistischen Fakultät Essen. Er hat keinen Computer, verabscheut Fotos, die etwas erklären sollen, produziert seine Vorträge handschriftlich, lässt E-Mails andernorts landen, bleibt beharrlich bei der ehemaligen deutschen Rechtschreibung und kann tatsächlich Vorträge mit Fußnoten halten wie es sonst nur ein Buch vermag.
Nun traf er auf ein überaus kultiviertes Publikum, das selber eine Menge über historische Ortsnamen wusste, sehr an diesem Thema interessiert war und höflich über seine zahlreichen Seitenhiebe auf andere Wissenschaftler hinweg lächelte. Derks hat eine Menge von Namen niederrheinischer Orte in Büchern trefflich erklärt und könnte das bestimmt auch noch über Ratingen und Co tun. Die direkte Nachbarschaft wie Werden und auch Kettwig hat er bereits untersucht. Doch seine Arbeiten sind fraglos besser für Bücher geeignet. Es ging auch um die Benrather Linie oder "maken-machen-Linie", in der Germanistik "als Isoglosse innerhalb des kontinentalwestgermanischen Dialektkontinuums" bezeichnet, versteht man besser, wenn man schlicht erklärt, dass sie das Hochdeutsche vom Niederdeutschen trennt.
Lintorf zum Beispiel, seit 1975 Stadtteil im nordwestlichen Gebiet der Stadt Ratingen am Übergang des Vorlandes des Bergischen Landes in die niederrheinische Tiefebene, wurde als "Linthorpe" im Jahr 1052 erstmals urkundlich erwähnt. Die ältesten gefundenen Anzeichen für menschliche Besucher oder Bewohner sind dagegen etwa 13.000 Jahre alt.
Wenn man nun nicht "buchstäblich" die Herkunft des Namens, sondern die Befindlichkeit eines Ortes nach Sichtbarem, nach Erde, nach Kalk, Kohle, Lehm und Schiefer beurteilt, hängt der geschichtliche Himmel über dem Angerland gar nicht mehr so tief. Man kann sich den Kalkstein in Schichten bis Eggerscheidt, südlich von Ober-Hösel bis Großenbaum vorstellen.
Falls man die aktuellen Aktivitäten, die vom Wind geworfenen Waldungen zwischen Ratingen, Eggerscheidt, Hösel, Breitscheid und Kettwig einmal außen vorlässt - sie sehen ohnehin so aus, als würde der Wald gefegt - kann man sich schon vorstellen, dass einst die gesamte Landschaft ein zusammenhängendes Waldgebiet war. Darauf lassen auch heute noch zahlreiche Orts- und Flurnamen schließen. In der Mitte des früheren Waldgebiets stellen Ratingen, Lintorf und Breitscheid große Rodungsflächen dar.
Da gibt es Aaper Wald, Forstbusch, Hinkesforst, Oberbusch und Hahnerbusch; nördlich vom Aap lag das Gripsloch. Nicht weit vom Ostbahnhof ist die "Höll", ein See und ebenfalls eine Mergelgrube in die Landschaft gebettet wie, nicht weit entfernt, viel größer und immer schon für die Öffentlichkeit genutzt, der Blaue See - ein ehemaliger Steinbruch.
Tiefenbroich wiederum war im Jahr 1358 den Bürgern Ratingens zur Urbarmachung überlassen worden. Rings um Rath (Rodung) wiederum ist, in noch weiterem Kreis als um Ratingen, der Wald der Kulturarbeit der Bauern gewichen. Im Hügelland östlich von Ratingen, nördlich der alten Rodung um Homberg, lag bis zur Ruhr die Laupendahler Markenrodung. Hätte nicht ein großer Teil der Wälder zwischen Anger und Ruhr unter dem Schutz des "Wildbanns", des Rechts herrschaftlicher Jagd gestanden, wären weitere große Baumbestände der ordnenden Axt der Landmänner zum Opfer gefallen. Auch hier zeugen Ortsbezeichnungen vom Wald.
Und immer dann, wenn eine Gegend einen Namen mit -broich trägt, signalisiert diese Silbe "Bruchland": Mörsenbroich, Rather Broich, Mühlenbroich. Wer sich namentlich oder schichtweise der Gegend nähern möchte, kann das unter anderem mit Informationen aus der Website der Stadt Ratingen tun.