Hösel Freundschaft in der Welt der Flüchtlinge

Hösel · Höseler Jugendliche drehen gemeinsam mit jungen Flüchtlingen einen beklemmenden Film. "Zwei Welten so nah" heißt er und handelt von Lebenswelten, die unterschiedlicher kaum sein könnten.

 Semira (links) wohnt in der Unterkunft Am Sondert. Sie trifft sich mit ihrer besten Freundin Celina sowie Philip, Benedikt und Julian (v.l.). Gemeinsam drehen sie einen Film. Die Idee wurde im Jugendzentrum Hösel geboren.

Semira (links) wohnt in der Unterkunft Am Sondert. Sie trifft sich mit ihrer besten Freundin Celina sowie Philip, Benedikt und Julian (v.l.). Gemeinsam drehen sie einen Film. Die Idee wurde im Jugendzentrum Hösel geboren.

Foto: Achim Blazy

Es ist eine Zahl, die beeindruckt — und betroffen macht. "Gerade einmal drei Kilometer liegen zwischen dem Jugendzentrum (JuZ)Hösel und dem Flüchtlingswohnheim Am Sondert", ist eine Stimme aus dem Hintergrund zu hören. Über den Bildschirm laufen Bilder, die eine bedrückende Atmosphäre vermitteln: Es regnet, alles ist grau und hoffnungslos. Vor dem Betrachter liegen knapp mehr als 15 Minuten eines Films, den Jugendliche aus dem Höseler Jugendzentrum zusammen mit gleichaltrigen Flüchtlingen gedreht haben. "Zwei Welten so nah" heißt der Film, der vor allem durch seine Schlichtheit beeindruckt und eindrucksvoll zeigt, wie verschieden doch Leben verlaufen können — und dies, obwohl man doch in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander wohnt.

"Bevor wir diesen Film gedreht haben, wusste ich überhaupt nicht, was auf diesem Gelände war", erzählt Philip. Der 14-Jährige hat sich als einer von vier Jugendlichen für das Projekt begeistern können, das Veronika Hutmacher vom Jugendamt angestoßen hatte. "Ich habe mich gefragt, wieso beide Seiten so wenig voneinander wissen, obwohl sie doch nahezu in direkter Nachbarschaft wohnen", so die Sozialpädagogin. Und so entstand die Idee zu einem Film, der bei seiner Premiere vor Vertretern aus Politik und Verwaltung für versteinerte Mienen sorgte. "Das hat keinen kalt gelassen", erinnert sich Hutmacher. Dabei war der Anfang des Projektes alles andere als leicht, wie sich JuZ-Besucher Benedikt erinnert: "Wir sind auf das Gelände gekommen und haben erst einmal nach Leuten in unserem Alter gesucht. Anfangs waren da schon einige Hemmungen." Doch die dauerten nicht lange, wie sich die begleitende Sozialpädagogin erinnert: "Unsere Jungs sind eine halbe Stunde mit den Flüchtlingskindern in einem Raum verschwunden — und danach war das Eis gebrochen."

Dabei war der Besuch in der anderen Welt für die Teenager aus Hösel erschreckend, wie Philip erzählt: "Ich war richtig geschockt. Es war so kahl und unwirklich. Da schlafen teilweise acht Leute in einem kleinen Raum. Das hat mich sehr betroffen gemacht."

Und diese Betroffenheit ist dem Film in jeder Sekunde anzumerken. Da ist zum Beispiel David, der 14-jährige Mazedonier, der in seiner Heimat als Star einer Castingshow im Fernsehen zu sehen war — plötzlich ist er ein Flüchtling. "Jeder kann zum Flüchtling werden", sagt Benedikt nachdenklich und erinnert sich an die Begegnung mit Nesret, ebenfalls 14 und mittlerweile wieder in sein Heimatland abgeschoben: "Wir haben ihn gefragt, warum er geflüchtet ist. Diese Frage hat etwas mit ihm gemacht. Er konnte und wollte uns nicht darauf antworten." Auch diese Szene ist im Film zu sehen. Doch es gibt tatsächlich so etwas wie ein — wenn auch nur vorläufiges — Happy-End. Das ist nämlich Semira, die 14-Jährige aus dem Flüchtlingswohnheim, die seit den Dreharbeiten im vergangenen Herbst zum festen Besucherstamm des JuZ gehört: "Am Anfang war das komisch für mich, aber mittlerweile fühle ich mich da sehr wohl", sagt sie in einem akzentfreien Deutsch. Und Philip ergänzt stolz: "Sie ist erst ein knappes Jahr in Deutschland." Es ist ein kleiner Hoffnungsschimmer in einer so fremden Welt. Ein Hoffnungsschimmer, der auch am Ende des Films nachhallt, wenn zu hören ist: "Wir wissen nicht, warum sie hier sind, aber es ist unsere Aufgabe zu helfen."

(wol)
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