Ratingen Floristin sieht in jeder Blume das Schöne

Ratingen · Als Raffaela Wallner ihre Lehre machte, steckten Chrysanthemen in Seidenpapier - und Nelken waren nur rosa.

Ihr Vorname und ihr Beruf müssten eigentlich dazu führen, Kathedralen zu schmücken: Sie heißt Raffaela Wallner und ist Floristin. Rund vier von gut sechs Lebensjahrzehnten arbeitet sie daran, dass ihr Daumen grün und die restlichen Finger meist schwärzlich gefärbt sind. In dem Beruf sitzt man nicht, muss immer wieder schleppen, mit Zweigen, Stielen, stark färbenden Blättern hantieren und Kundenwünsche erahnen, bevor sie ausgesprochen sind. Letzteres macht zwar nicht direkt schmutzige Hände, führt aber letztlich dahin.

Der Name Raffaela hat nun nicht direkt in den Dom geführt, aber in einige gute Blumengeschäfte in ganz Ratingen. Ganz im Anfang lernte die Floristin - "da war ich noch Lehrmädchen" - in der damaligen Gärtnerei Happe/Steffen die ehedem ausschließlich gelben und weißen Chrysanthemen kennen, deren sehr dicke Blüten in Seidenpapier eingeschlagen wurden. Sie bekam mit, dass man Blumenerde erhitzte, damit sie keimfrei wurde und nicht schon unerwünschtes Kraut auf die Gräber trug.

Sie hat auch noch die Zeiten mitbekommen, als rosa Nelken in ungerader Zahl mit zartem Asparagus (das unheimlich schnell neben die Kristallvase rieselte) gang und gäbe waren und zur Erstkommunion Hortensien in rauen Mengen verschenkt wurden. Sie sah die unsägliche Seidenpapier-Rüsche um bunte Sträuße drapiert und so einfallsreich wie eine behäkelte Klorolle auf der hinteren Auto-Ablage - kommen und auch wieder gehen und kann nach all den Sträußen und Gestecken fast schon jedem Kunden auf den Kopf zusagen, ob er mehr fürs kapriziöse Angebinde ist oder das puristische Arrangement vorzieht.

Raffaela Wallner ist kein stilles Wasser - sie kommt lebensfroh und direkt und herzlich rüber; sie rennt und schafft und ordnet und sortiert im Geschäft gegenüber vom Friedhof ebenso flott wie sie über ihre Blumen spricht. Und immer wieder erwähnt sie, dass wahrscheinlich alle Blumen schön sind und dann im Heim Freude machen, wenn sie von sehr guter Qualität sind. Regionale Arten liegen ihr natürlich besonders am Herzen.

Karola Otten, die den langen und fleißig absolvierten Berufsweg ihrer Schwester verfolgt hat, lobt vor allem deren ausgesuchte Freundlichkeit. "Die sollte noch ein bisschen besser sein als die Freundlichkeit, mit der ich selbst bedient werden möchte," meint die Floristin. Sagt's und schneidet gekonnt mit dem Pittermesser einen Blütenstiel ab (wobei sie offenbar mehr Sorgfalt aufs Grün als auf ihre Finger legt).

Natürlich kann sie noch alle lateinischen Namen, die sie in der Ausbildungszeit gelernt hat, natürlich ist sie firm im Anfertigen von Grabgestecken, kennt sich im Winden von Blumenkränzchen für die "Hippie"-Hochzeit aus und berät die Braut bei ihrem Bouquet, die schon beim Aussuchen von Hochzeitskleid und Einladungskarte reichlich Nerven gelassen hat.

"Ich mache ihnen einen Strauß aus 50 Tulpen und schrecke auch nicht zurück, wenn vier Blütenstiele einen attraktiven Strauß ergeben sollen. Irgendetwas Schönes steckt schließlich in jeder Blume". Die Frau weiß Bescheid.

Und zu Hause steht immer ein frischer Strauß auf dem Tisch. Immer.

(gaha)
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