Ratingen Feuerzangenbowle: Akrobatik pur

Düsseldorf · Den Silvesterabend mit ein paar kräftigen Schlucken aus Heinrich Spoerls "Feuerzangenbowle" zu verbringen, hat das Ratinger Theaterpublikum im ausverkauften Stadttheater nicht bereut. In der Bühnenbearbeitung von Wilfried Schröder begeisterte die Burghofbühne Dinslaken mit einem typenreichen, spielfreudigen und verblüffend akrobatischen Ensemble, das sehr bald den legendären Film mit Heinz Rühmann vergessen ließ.

Regisseur Kai Festersen betonte in dieser unsterblichen Schmunzelgeschichte über Schülerstreiche an einem Kleinstadtgymnasium vornehmlich die Elemente der Groteske. Dabei ließ er sich offenbar von Wilhelm Buschs Bildergeschichten inspirieren, die in den Lehrern wie auch den Oberprimanern urplötzlich zum Leben erwacht zu sein schienen. Der schmale, blasse Jonas Müller (Husemann) zum Beispiel konnte derart seine dünnen, in braunen Schnürstiefeln steckenden Beine verdrehen, dass man eine mit Holzwolle ausgestopfte Kasperpuppe vor sich zu haben meinte. Auch konnte er so überzeugend ins Kurzkoma fallen, dass sich mancher Zuschauer bis zu seinem Wiederaufstehen schon Sorgen machte.

In gleicher Weise hielt das Publikum den Atem an, wenn die Akteure bei der Demonstration der alkoholischen Gärung oder ähnlichen Anlässen so nah am Bühnenrand oder auf dem Lehrerpult herumturnten, dass sie jeden Moment abzustürzen drohten. Wie exzellent biegsam die Truppe war, führten Philipp Sebastian (der als Privatzögling um seine Schülerstreiche-Erlebnisse gebrachte Dr. Johannes Pfeiffer) mit ausdauerndem Handstand sowie im Zweikampf mit Marco Pickart Alvaro als Gernegroß Knebel und der kleine Josef Hofmann (Direktor) in grandiosen sportlichen Aufwärmübungen vor der Mathematikstunde eindrucksvoll vor. Eine nicht minder staunenswerte Leistung vollbrachte auch Leif Scheele als Streber Luck, als er mindestens einen Liter giftgrüner Flüssigkeit in sich hineinschüttete.

Karikatur amüsant gezeichnet

Das Sextett der Schüler komplettierte mit gleichfalls eigenständiger Note Carsten Caniglia (Rosen) so draufgängerisch wie Felix Gattinger (Melworm) etwas schüchtern und frömmlerisch. Eine Menge von Buschs Lehrer Lämpel hatte Michael Gabel als lispelnder und sich stets windender "Schnauz". Züge eines rheinischen Originals verlieh Armin Dillenberger dem stets unausgeschlafenen gutmütigen Professor Bömmel nicht nur bei der Erklärung "Was is ene Dampfmaschin". Auch die Karikatur eines Oberschulrates alter Zeit wurde von Erwin Kleinwechter amüsant gezeichnet.

Was wäre aber eine Oberprima-Schulgeschichte ohne weibliches Element? Das Traummädchen verkörperte Iris Kunz als Musikreferendarin Eva mit Selbstbewusstsein, Charme und Lebensneugier. Den Rest von Mutters Rockzipfel kombinierte Anna Haack niemals böswillig mit allen Eigenschaften einer Zimmervermieterin.

So gab es denn auch Beifall bis zum Abwinken.

(RP)
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