Einkehr in die Geschichte Erinnerungen an das verlorene Haus

Ratingen · Das "Haaner Becherhus" gilt seit Jahrhunderten als das "erste Haus am Platze". Mit seinem verzierten Dachgiebel ist es das bekannteste Haaner Barockhaus. Der Lyriker Emil Barth erinnert sich in einer Erzählung an sein Geburtshaus.

 Das Becherhus ist das Geburtshaus des Lyrikers Emil Barth. Auch dessen Bruder, der Künstler Carl, kam dort auf die Welt.

Das Becherhus ist das Geburtshaus des Lyrikers Emil Barth. Auch dessen Bruder, der Künstler Carl, kam dort auf die Welt.

Foto: Sammlung Kaddatz

"Das verlorene Haus" — was mag den bekannten Lyriker Emil Barth (1900-1958) wohl dazu bewogen haben, einen seiner Romane (aus dem Jahr 1936) so zu nennen und sich darin an seine Kinderstube im "Haaner Becherhus" zu erinnern? Folgt man dem Essayisten in seine Kindertage, so lebt darin vieles aus der guten alten Zeit. Ein strenges und nörglerisches Fräulein Grimberg soll es dort gegeben haben.

 Nach einem Brand wurde das antike Portal wieder hergerichtet. Das Becherhaus ist im Besitz der Familie Tix.

Nach einem Brand wurde das antike Portal wieder hergerichtet. Das Becherhaus ist im Besitz der Familie Tix.

Foto: Sascha Schürmann

"Eine vermögliche Dame von nicht näher bestimmbaren Alter" notiert Barth in seinen Aufzeichnungen. Und dann war da dieser unsägliche Staub. "Sie hatte den Putzteufel im Leib. Die Existenz des Staubes auf dieser Erde war eine empörende Tatsache, die Fräulein Grimberg zu verwischen trachtete. Wobei sie leider vergaß, dass auch sie selber aus Staub gemacht sei und einstmals wieder zu Staub verfallen werde", vermerkte Barth.

Stöbert man in seinen Notizen, so scheint es jedoch im Miteinander des reinlichen Fräuleins mit den künstlerisch veranlagten Barth-Söhnen nicht allzu viel Anlass für Humorvolles gegeben zu haben. Staub war offenbar über Jahre hinweg das alles überragende Thema im Barth'schen Kinderleben und im Haaner Becherhus. Die Kinder wirbelten ihn auf, Fräulein Grimberg sammelte ihn ein.

"Vielleicht stammte der Sauberkeitsdämon ja von dem des Geizes ab, verwandt waren sie beide jedenfalls. Und sie verrieten in Fräulein Grimbergs scharfen Gesichtszügen die Härte eines Gemüts, welches das erste war, das mich ängstigte", gab Emil Barth Jahre später in seinen Erzählungen einen Einblick in seine kindlichen Seelenqualen. Das Haus schien schon früh verloren gewesen zu sein für den Literaten. Trotz der rauschenden Krone des alten Nussbaums und des wundervollen Obstgartens.

Tatsächlich verloren war es allerdings erst, als die Familie nur wenige Häuser entfernt ein neues Domizil fand. Trotz allem galt das Becherhus mit seiner Gastwirtschaft schon damals als "erstes Haus am Platze". Wer etwas auf sich hielt, traf sich am Abend in der Gaststube, so das gesellschaftliche Gebot der Zeit.

Auch darauf hatte der jugendliche Emil Barth übrigens ein aufmerksames Auge geworfen: "Die Gaststube wurde abends von gewichtigen Amtspersonen besucht. Man konnte nicht leicht einen Schanktisch finden, der so mit allem Glas und Nickel blitzte und an welchem Steinhäger und Korn mit so viel Anstand ausgeschenkt und getrunken ward."

Viel Geschichte und viele Geschichten ranken sich in den vergangenen drei Jahrhunderten um das Haaner Becherhus. Wir wollen es hier bei den Erinnerungen des Haaner Lyrikers belassen — auch wenn es diesseits und jenseits dieser Zeit noch so vieles gäbe, was einer Erwähnung wert wäre.

(RP)
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