Ratingen Erdkreis im Chorraum von St. Peter und Paul

Ratingen · Das Kreis-Symbol spielt in der architektonischen und künstlerischen Ausgestaltung der Kirche St. Peter und Paul eine wichtige Rolle.

Das Bodenmosaik im Chorraum der Pfarrkirche stellt die alttestamentarische Schöpfungsgeschichte dar. Hier vereinigen sich zwei Symbole: der Kreis und die Zahl sechs.

Foto: Achim Blazy / Archiv

Es gibt sie seit über 100 Jahren in der Pfarrkirche St. Peter und Paul: eine viel bewunderte, "runde Sache", die Schöpfungsgeschichte des Alten Testaments, dargestellt in einem großen Mosaikbild.

Das Besondere an diesem Bild aus vielen bunten Steinchen ist, dass es unter anderem zwei Symbole in sich vereinigt: den Kreis und die Zahl sechs. Zunächst zur Zahl sechs: ein sechseckiger Grundriss bestimmt den Bau des Chorraumes, der als Erweiterung in den Jahren 1892-1894 zur frühgotischen Hallenkirche hinzukam. Der Grundriss wiederholt sich im Inneren in den Außenlinien eines Bodenbildes. In dieses Sechseck hinein ist ein Kreis mit mehreren konzentrischen Ringen gelegt.

Das vierte Bild des Schöpfungskreises ist der Sonne, dem Mond und den Sternen gewidmet.

Foto: Blazy, Achim (abz)

Mauern, Zinnen und Türme verweisen auf das "himmlischen Jerusalems", das in idealer Form einen Bereich umschließt und abrundet: die Schöpfung Gottes, das Paradies der Bibel, den Lebenskreis der Menschen. In die Mauern sind große Fenster eingelassen, die den Blick in die einzelnen Schöpfungstage freigeben.

Der "Erdkreis" erzählt in Symbolen die uralte Geschichte aus dem Buch Genesis vom Werden der Welt, ein Kreislauf von Anfang an bis heute: Am ersten Tag trennte Gott - so die Bibel - das Licht von der Dunkelheit, Voraussetzung für beginnendes Leben. Am zweiten Tag erkennt der Betrachter die Bereiche, die bestimmend sind für die Gestaltung der Welt, einerseits das Land mit Bergen und Tälern, andererseits die Meere und Flüsse, alles überspannt vom Firmament. Die verschiedenen Bereiche hat Gott voneinander getrennt, damit unterschiedliche Lebensräume entstanden.

Die Idee zu dem Gesamtkunstwerk entstammt einem Buch aus dem 17. Jahrhundert. Zu finden ist es im Archiv der Pfarre.

Foto: Blazy, Achim (abz)

So berichtet der dritte Tag, dass vielfältige Blumen, Sträucher und Bäumen der Erde ein neues Gesicht verleihen. Das vierte Bild gehört der Sonne, dem Mond und den Sternen. Tag und Nacht bestimmen von jetzt an den Lebensrhythmus. Am fünften Tag wurde es lebendig im Wasser und in der Luft. Vögel und verschiedenste Wassertiere beleben die Weltbühne. Im sechsten Bild, dem letzten Schöpfungstag, schuf Gott die Landtiere, hier auf dem Bild vertreten durch Hase, Elefant, Hirsch, Zebra. Noch fehlte der Mensch. Er kam an diesem sechsten Tag hinzu und kniet im Bild, aus der übrigen Schöpfung herausgehoben und den Blick nach oben gerichtet, auf einem Erdhügel oder Felsstück mitten im Erdkreis.

Die sechs Tage sind somit abgeschlossen, dargestellt in anschaulichen Bildern, angeordnet in einem Halbrund um einen zentralen Punkt, der Strahlen und züngelnde Flammen aussendet in diese Weltordnung. "Gott sah, dass alles sehr gut war!" heißt es in der Bibel. Wir wissen aber auch, dass noch etwas fehlt, nämlich der siebte Tag, an dem Gott ruhte. Wo ist dieser Tag in diesem Mosaikbild? Der Halbkreis mit dem Sechstagewerk vollendet sich zum vollen Kreis unter den Stufen des Altars. Diesen Teil des Kreises können wir aber nur mit dem "inneren Auge" wahrnehmen.

Die Pfarrkirche wurde Ende des 19. Jahrhunderts erweitert.

Foto: Preuß

Er ist aber zweifellos da. Der Erdkreis vollendet sich an dem Ort, an dem die Menschen Gott in besonderer Weise erfahren können. Aus dem Erdkreis heraus wird hier Gottes Geschichte mit den Menschen erzählt, zunächst mit einem Beispiel aus dem Alten Testament, dem Paschamahl vor dem Auszug der Israeliten aus Ägypten. Im Altaraufbau steht dann der Gründonnerstag mit der Fußwaschung und dem letzten Abendmahl im Mittelpunkt. Der Kreislauf der Schöpfungsgeschichte bekommt somit eine neue Dimension, die auch den Israeliten bei der 40-jährigen Wanderung durch die Wüste bewusst war. Gott war bei ihnen im Zelt (lateinisch: Tabernakel). So ist der eigentliche Mittelpunkt des hier dargestellten Erdkreises das Tabernakel, die Wohnung Gottes bei den Menschen. Wenn man den Chorraum betritt, kann man genau diesen programmatischen Satz auf der ersten Stufe lesen: "Quam dilecta tabernacula tua, domine virtutum." ("Wie lieblich sind deine Wohnungen, Herr der Mächte.")

Wie kam es zu der Idee, Schöpfungsgeschichte und Erdkreis in einem Gesamtkunstwerk darzustellen? Die Antwort findet sich in einem alten Buch des Jesuiten Heinrich Engelgrave, das 1651 in Antwerpen gedruckt wurde und das sich nachweislich seit 1685 im Besitz der Pfarrgemeinde St. Peter und Paul befindet. Der Zusammenhang zwischen Buch und Kunstwerk liegt in der Emblematik, einer besonderen Bildersprache. Es ist der künstlerische Versuch, Glaubensaussagen "sinnbildlich" auszudrücken. So führt dieses Buch mit Bild und Text durch die Sonntage des Kirchenjahres. Zwischen einem Bild, das dem ersten Sonntag nach Ostern gewidmet ist, und dem dargestellten "Erdkreis" in St. Peter und Paul gibt es eine auffällige Nähe.

Das barocke Bild im runden Rahmen zeigt, wie aus einer großen Wolke die Hand Gottes erscheint, die mit einem Zirkel auf eine leere quadratische Fläche den Erdkreis einzeichnet. Der erklärende Text zu diesem Bild erinnert daran, wie Jesus nach der Auferstehung zu seinen Jüngern kommt, die sich aus Angst eingeschlossen hatten: "Er trat in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch." (Joh. 20, 19) Die Zirkelspitze ist im Sinne des Emblems Jesus selbst, der mit dem Zirkelschlag alles umschließt, um die Angst zu nehmen.

Die Übertragung auf das Ratinger Mosaikbild in St. Peter und Paul wäre dann die Anwesenheit Christi im Tabernakel, Mittelpunkt des Erdkreises oder "Licht des Evangeliums". Der Kreis ist damit auch Symbol für Gott selbst, an dem der Mensch teilhaben kann: Eine "runde Sache", wenn man so will.

Hans Müskens ist pensionierter Gymnasiallehrer für Geschichte und Kenner der Pfarr-Historie.

(RP)