Interview: Rp-Serie Redensarten (8) Er ist und bleibt ein Holzweg

Ratingen · Alte Baumberger erinnern sich an Schlammfahrten im Pferdefuhrwerk auf dem Holzweg. Heute rumort es bei den Händlern.

 Viele Baumberger sind täglich auf dem Holzweg, wenn auch nicht unbedingt im sprichwörtlichen Sinne.

Viele Baumberger sind täglich auf dem Holzweg, wenn auch nicht unbedingt im sprichwörtlichen Sinne.

Foto: Matzerath

Kreis Mettmann Ganz ehrlich? Bauer Franz-Josef Muhr hat an den Holzweg keine guten Erinnerungen. "Wir hatten früher ein Feld da in der Nähe, deshalb musste ich mit dem Pferdefuhrwerk oft über den noch unbefestigten Holzweg fahren." Vor allem nach einem ergiebigen Regen löste sich der Pfad scheinbar in seine Bestandteile auf. Pferde und Karren sanken tief in den Morast ein. "Da lief mir der Schlamm manchmal in beide Stiefel hinein. Das war sehr unangenehm." Auf den ersten Blick hat der Holzweg von heute diese Vergangenheit hinter sich gelassen. Wohnblocks mit Miet- und Eigentumswohnungen, Ein- und Zweifamilienhäuser säumen den Weg Richtung Baumberger Dorf. Doch bei vielen hier Ansässigen ist die Stimmung eher bescheiden. Vor allem Gewerbetreibende fühlen sich auf dem Holzweg von heute - als wären sie auf dem Holzweg.

Verirrt, verlaufen, die Orientierung verloren: Dafür steht die Redensart "Da bist Du aber mächtig auf dem Holzweg". Monheims Stadtarchivar Michael Hohmeier knüpft eine direkte Verbindung zwischen der Redensart und dem ganz konkreten Holzweg in Baumberg: "Holzwege wurde einstmals angelegt, um das im Wald geschlagene Holz ins Dorf transportieren zu können. Meist waren es Sackgassen, die irgendwo zwischen den Bäumen endeten." Nicht selten folgten dennoch Ortsfremde diesen Sackgassen - immer in der Hoffnung, sie kämen auf diesem Pfad möglichst zügig durch den dunklen Wald. Stattdessen gingen sie entweder gründlich in die Irre oder mussten nach einer Weile umkehren und zum Startpunkt zurückkehren. Eine ziemlich ärgerliche Sache...

...die dem ortsunkundigen Wanderer auch auf dem Baumberger Holzweg leicht passieren konnte. Wo heute die Baumberg-Urdenbacher Kämpe mit freien Feldern an den Stadtrand anschließt, dürften damals noch Bäume gestanden haben. Bauer Muhr erinnert sich an das Röderfeld - ganz in der Nähe vom Holzweg. "Röder" wie roden - ein Hinweis, der passen würde.

Den Straßennamen "Holzweg" vergab der Bauausschuss der Gemeinde Monheim im Jahr 1957. Damals nutzten die Verantwortlichen eine alte Flurbezeichnung, die 1830 in der "Gemeinde-Charte des Parzellar-Katasters der Gemeinden Baumberg, Monheim, Hitdorf & Rheindorf" eingetragen worden war. Und auch die Landvermesser, die Geometer, des preußischen Staates hatten bei ihrer erstmaligen Kartierung Begriffe übernommen, die unter den Menschen in der Gegend bereits eingeführt waren.

Die Zeiten der Holzabfuhr waren laut Hohmeier lange vorbei, als sich die ersten Anwohner am Holzweg niederließen: "Die Adressbücher von 1962 und 1964 nennen je sieben am Holzweg vergebene Hausnummern." Zwei Jahre später war die Zahl auf neun angestiegen - als plötzlich die bislang höchste Hausnummer 17 von einer "200" überboten wurde, wie Hohmeier berichtet: "Dabei handelte es sich um den Bauernhof Roßlenbroich, der ab dem Adressbuch 1968 unter der Bezeichnung "Hellerhof" residierte."

Ende der 1960er Jahre entstand das Einkaufszentrum Baumberg-Ost, in dem sich viele Geschäftsleute heute fühlen, als nehme der Holzweg gar kein Ende. Es gibt einen heftigen Sanierungsstau. Ladenlokale stehen leer. Seit Schlecker in den Konkurs ging, fehlt ein Drogeriemarkt. Um einen Nachfolger in das Unterzentrum am Holzweg zu bringen, müssten die Läden umgebaut werden. Dazu versagen Eigentümer die Zustimmung. "Während die Stadt in der Monheimer Altstadt unter dem Stichwort 'Revitalisierung' Läden anmietet, kommen wir uns hier vor, als seien wir vergessen", sagt eine Gewerbetreibende. Für sie ist und bleibt das ganze Ladenzentrum - ein Holzweg.

(RP)
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