Ehrenamt Digitalpaten erklären den Technik-Dschungel

Kreis Mettmann · Seit etwas über einem Jahr sind im Kreis Mettmann ehrenamtliche Digitalpaten im Einsatz, die sogenannten „digitalen Einwanderern“ die Welt von Smartphones, Tablets und Internet näherbringen. Gabriele Fromm (70) ist eine von ihnen.

 Gabriele Fromm engagiert sich in ihrem Ruhestand als Digitalpatin. Erwin Knebel auch; er hat den kreisweiten Dienst initiiert.

Gabriele Fromm engagiert sich in ihrem Ruhestand als Digitalpatin. Erwin Knebel auch; er hat den kreisweiten Dienst initiiert.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

Die Pandemie hat gezeigt, wie wertvoll Digitalisierung sein kann: Kontakte konnten während der Lockdowns online weiter gepflegt werden, Homeoffice hat viele Unternehmen vor der Pleite gerettet und selbst der stationäre Einzelhändler, der sein Geschäft mehrere Monate lang nicht öffnen durfte, fand im Versand- und Internethandel eine Möglichkeit, seine Waren weiter zu vertreiben.

Aus der einstigen Spielerei wurde von jetzt auf gleich eine Notwendigkeit, die nun, noch stärker als zuvor, nicht mehr aus unserem Alltag wegzudenken ist – zumindest für jene, die damit umzugehen wissen.

Für andere sind Online-Banking, Online-Ticketing, die Online-Buchung von Terminen, WhatsApp und Co. noch immer wie böhmische Dörfer: „Rund 20 Prozent der über 65-Jährigen im Kreis Mettmann waren noch nie im Internet, haben also keine Ahnung, wie sie dorthin kommen und vor allem mit welchen Geräten“, sagt Erwin Knebel, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucher im Kreis Mettmann und Initiator des Digitalpaten-Projekts. „Bei rund 50.000 Einwohnern sind rund 10.000 Bürger in Hilden von dieser Situation betroffen“, macht er die Dimension vor Ort deutlich. 10.000 Menschen, die abgehängt sind.

Erst kürzlich habe Knebel von einer 86-jährigen Dame gehört, die mit ihrem dementen Mann einen Ausflug mit der Bahn unternehmen wollte. „Als sie im Kundencenter nach einem Fahrplan fragte, verwies man sie aufs Internet. Fahrpläne werden nämlich nicht mehr gedruckt.“ Nun will die Seniorin den Umgang mit der Technik lernen.

Eine, die ihr dabei helfen kann, ist Gabriele Fromm. Die 70-Jährige ist seit Beginn des Projekts im Frühjahr vergangenen Jahres als ehrenamtliche Digitalpatin dabei und vermittelt ihr Wissen an andere. Als Expertin würde sie sich selbst nicht bezeichnen, für den Alltagsgebrauch reichen ihre Kenntnisse allerdings. „Durch meine berufliche Tätigkeit als Kita-Leiterin, weiß ich, wie Computer und Handy funktionieren.“ Nach dem Renteneintritt habe sie eine neue Aufgabe im Ehrenamt gesucht. Die Wissensvermittlung bereite ihr Freude: „Die meisten, die uns aufsuchen, haben sehr viel Respekt vor den digitalen Medien. Meistens haben sie ein neues Handy von ihren Kindern bekommen und wollen über WhatsApp in Verbindung bleiben und vielleicht mal Fotos aus dem Urlaub schicken.“ Wie das funktioniert, erklärt Fromm nach der Vermittlung dann im Einzelgespräch bei den Leuten zu Hause, mit viel Geduld und Einfühlungsvermögen.

Auf fünf bis zehn Stunden schätzt sie den monatlichen Aufwand, den sie als Digitalpatin betreibt. Ihre Aufgabe bestehe darin, Grundlagen zu vermitteln, etwa wie das Smartphone eingestellt wird, wie Fotos und Nachrichten verschickt werden können, wo man klicken muss, um im Internet nach dem Fahrplan zu suchen. Wenn Fragen aufkommen, die Fromm nicht zu beantworten weiß, kann sie innerhalb der Gruppe von mittlerweile rund 40 Digitalpaten im Kreis Mettmann – darunter gut ein Drittel IT-Experten – nachfragen.

Digitalpate könne jeder werden, der sich ein bisschen auskennt und Spaß dabei hat, sein Wissen zu vermitteln, sagt Knebel. Besondere Schulungen durchlaufen die Digitalpaten für ihre Tätigkeit nicht, obwohl die Arbeitsgemeinschaft immer wieder interne Fortbildungen mit Experten anbietet, an denen die Ehrenamtler freiwillig teilnehmen können. Auch Fromm habe nicht nur vielen Menschen geholfen, den Anschluss an das digitale Zeitalter zu finden, sondern auch selbst durch Schulungen und Austausch sehr viel Neues dazu gelernt. Eine Win-win-Situation, urteilt Knebel, der das Projekt gerne ausweiten würde. Denn der Bedarf sei groß und ehrenamtliche Digitalpaten werden weiterhin gesucht.

„Wenn die Menschen erstmal eine gewisse Grundlage haben, dann können wir auch etwas speziellere Kurse anbieten“, sagt Knebel. Vorstellbar sei beispielsweise in Kooperation mit der Sparkasse eine Schulung zum Online-Banking. Im Oktober ist bereits ein Kurs für Hobbywanderer geplant, bei dem die App „Komoot“ vorgestellt und bei einer Wanderung gemeinsam ausprobiert werden soll. Doch das primäre Ziel bleibt: alle Bürger in das digitale Zeitalter zu überführen.

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