Ratingen Die Opfer der

Düsseldorf · Globalisierung

Als Paulus vor fast 2000 das Evangelium hinaus in die Welt trug, war das ein Stück „Globalisierung“. Er war überzeugt: Gott ist nicht nur der Gott eines kleinen Volkes. Der Glaube an ihn steht allen Menschen offen! Als die Zoll- und Reiseschranken in den vergangenen Jahren immer rascher fielen, war das also eine gute Nachricht.

Die Globalisierung hätte ein Segen werden können, hätte Entwicklung und Völkerverständigung voran bringen können – wäre sie nicht in die Hände von Menschen gefallen, die etwas anderes damit vorhatten. Sie schufen ein weltweites System von Zahlen, das auf niedrige Kosten und hohe Gewinnerwartungen sensibel reagiert. Für die Schicksale von Menschen, die nichts produzieren und kaum konsumieren, ist es dagegen blind. Da sie weder Lohnkosten verursachen noch Gewinne versprechen, fallen sie aus dem System heraus.

Dies betrifft alleinerziehende Mütter, pflegende Angehörige, landlose Bauern, überschuldete Handwerker, Flüchtlinge, HIV-Kranke, entlassene Arbeiter, Slumbewohner, gebrechliche Menschen, Jugendliche ohne Ausbildung usw. Und doch sind es Menschen, denen Gott ein gleiches Recht auf Leben verliehen hat wie den Wohlhabenden. Und sie sorgen dafür, dass die Wohlhabenden sich rechtfertigen müssen.

Vom 7. bis zum 11. Januar tagte die Synode der Evangelischen Kirche im Rheinland in Bad Neuenahr. Für eine evangelische Kirche ist es wichtig, dass sie an der Seite der Opfer der Globalisierung steht. Gott will, dass jeder genug zum Leben hat. So viel soziale Gerechtigkeit muss einfach sein. Wem dies egal ist, der lästert seinen Namen. Als Bürger eines reichen Landes profitieren wir von der Globalisierung, wenn auch in sehr unterschiedlichem Maße. Negativfolgen wie Kinderarbeit und Rohstoffkriege haben jedoch andere zu tragen. Was tun? Patentrezepte wird keiner von der evangelischen Kirche erwarten, aber wenigstens ein paar klare Worte, im Konflikt zwischen dem eigenen Lebensstil und der gebotenen Gerechtigkeit. So wie am Anfang, bei Paulus.

Frank Wächtershäuser, Jahrgang 1955, ist evangelischer Pfarrer in Lintorf. (Die Serie unter www.rp-online/ratingen)

(RP)
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