Kirche Der vorübergehende Hausherr im Mariendom

Kreisdechant Daniel Schilling ist nach dem Rückzug der Franziskaner Pfarrverweser und kommissarischer Wallfahrtsleiter in Neviges.

 Wallfahrtskirche Mariendom in Velbert Neviges

Wallfahrtskirche Mariendom in Velbert Neviges

Foto: Blazy, Achim (abz)

Bei staufreier Verkehrslage sind es 30 Minuten Fahrt mit dem Auto von St. Peter und Paul in der Ratinger Innenstadt bis zum Mariendom in Neviges. Zu ungünstigeren Zeiten braucht Daniel Schilling auch schon mal das Dreifache an Zeit. Seit Anfang des Jahres ist der Kreisdechant und Pfarrer von St. Peter und Paul auch Pfarrverweser und kommissarischer Wallfahrtsleiter in Neviges und somit ein Pendler.

Seit 1681 betreuten die Franziskaner die damals neu entstandene Wallfahrt zur Verehrung der Gottesmutter mit dem Patronat der Unbefleckten Empfängnis Mariens. Ende Januar dieses Jahres hat auch der Letzte von ihnen das Kloster in Neviges verlassen und damit auch die Gemeinde und Wallfahrt. Der Kreisdechant ist nun dort Hausherr auf Zeit. Voraussichtlich bis zum Herbst, dann könnte eine neue Gemeinschaft übernehmen. „Die Gespräche laufen gut“, sagt Schilling. Doch bis die Übernahme spruchreif ist, wird Schilling die einzige Wallfahrtskirche im Kreis Mettmann betreuen.

Im Jahr 2018 ist der Mariendom 50 Jahre alt geworden. Der moderne Betonbau, entworfen vom Architekten Gottfried Böhm, ersetzte die alte Wallfahrtskirche gleich nebenan, die für die damaligen Pilgerströme viel zu klein geworden war. Zu Hochzeiten kamen pro Jahr 300.000 Pilger nach Neviges. Die sollten nun in dem neuen Gotteshaus Platz finden, das für 8000 Menschen gedacht war und ist.

Daniel Schilling kennt den Mariendom noch aus Kindertagen, war mit seiner Großmutter häufiger dort. Nach seiner Ausbildung zum Orgelbauer und anschließendem Theologiestudium kehrte er als Kreisjugendseelsorger nach Neviges zurück. Und deshalb kennt er sich im Mariendom auch bestens aus, kann wie ein Fremdenführer zu jedem Detail etwas erzählen. Beispielsweise die Idee, die hinter der Architektur steckt.

Architekt Böhm hat die Wallfahrtskirche nach dem Vorbild eines Marktes entworfen, auf dem Jesus zu Lebzeiten die Menschen um sich versammelt hat. Die Emporen stilisieren die umstehenden Häuser, aus denen die Menschen zusahen, zuhörten, sichtbar oder unsichtbar. Selbst die ursprünglichen Lampen waren Straßenlaternen nachempfunden. Die erwiesen sich aber als wenig tauglich. „Es wird jetzt an einem neuen Lichtkonzept gearbeitet“, sagt Schilling.

Überhaupt das Licht. Wer den Mariendom betritt, empfindet ihn zunächst als dunkel. Doch je länger man sich dort aufhält, um so heller erscheint das Innere. „Man muss sich auf ihn einlassen“, sagt Schilling, „so wie auf den Glauben zu Gott auch.“ Diesen Grundsatz hat der Architekt auch in den Fenstern aufgenommen. Auf einem ist im unteren Teil die Weltkugel zu sehen, auf der die Menschen den Turm zu Babylon bauen. Dennoch erreichen sie den Himmel nicht. Nur wer den Sprung ins Unbekannte zu Gott wagt, kann dort hingelangen. Überall im Dom entdeckt man die Rose, das Zeichen für die aufblühende Maria, wie Schilling erklärt. Wer sie sucht, findet immer mehr von ihnen.

Daniel Schilling ist fasziniert von der Wallfahrtskirche, deren Architektur durchaus mutig war, vor allem in den 60er Jahren. Der massive Betonbau mag auf den ersten Blick kalt und abweisend wirken wie ein Bunker. Das sei häufig auch die erste Beschreibung der Kommunionkinder, mit denen Schilling jedes Jahr nach Neviges fährt. Doch nach längerer Betrachtung sähen sie darin auch ein Zelt, „ein begehbarer Tabernakel“, wie Schilling erklärt.

Geplant war der Mariendom zunächst als reine Sommerkirche für die Pilgerzeit vom Frühjahr bis zum Herbst. Doch die Pilger kamen auch zu anderen Zeiten. Und so wurden nachträglich eine Heizung und eine richtige Orgel eingebaut. Und auch hier kommt der heutige Kreisdechant und kommissarische Wallfahrtsleiter wieder ins Spiel. Die aus einer kleinen Kirche erworbene Orgel hätte für den Mariendom nicht ausgereicht. Schilling als Orgelbauer machte den Erweiterungsentwurf.

 Der Innenraum des Mariendoms ist bewusst karg gehalten. Er ist nach dem Vorbild eines Markplatzes konzipiert. Ohne Bestuhlung bietet er Platz für 8000 Besucher.

Der Innenraum des Mariendoms ist bewusst karg gehalten. Er ist nach dem Vorbild eines Markplatzes konzipiert. Ohne Bestuhlung bietet er Platz für 8000 Besucher.

Foto: Blazy, Achim (abz)
 Die Architektur war nicht unumstritten. Doch inzwischen gehört der Mariendom wie selbstverständlich zum Stadtbild dazu.

Die Architektur war nicht unumstritten. Doch inzwischen gehört der Mariendom wie selbstverständlich zum Stadtbild dazu.

Foto: Blazy, Achim (abz)
 Kreisdechant Daniel Schilling hält nun vorübergehend auch die Gottesdienste in der Wallfahrtskirche.

Kreisdechant Daniel Schilling hält nun vorübergehend auch die Gottesdienste in der Wallfahrtskirche.

Foto: Blazy, Achim (abz)
 Eines der Fenster, in denen die Rose als Symbol für Maria erblüht.

Eines der Fenster, in denen die Rose als Symbol für Maria erblüht.

Foto: Blazy, Achim (abz)

Die Zeit der großen Pilgerströme ist vorbei, die sich das kleine Gnadenbild mit der Darstellung der Muttergottes von Hardenberg in der Seitenkapelle der Wallfahrtskirche, eingelassen in die Mariensäule, anschauen möchten. Doch es gibt sie immer noch, ebenso die Besucher die täglich in den Mariendom kommen, um ihn sich anzuschauen. Und Daniel Schilling würde sich freuen, wenn die Gläubigen aus dem Kreis Mettmann auch einmal nach Neviges kommen, um dort mit ihm den Gottesdienst zu feiern. Schließlich wäre seine Zeit als kommissarischer Hausherr dort ein guter Anlass, einmal dort hin zu pilgern.

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