Heiligenhaus Der Vater der Schülerpraktika erzählt

Heiligenhaus · Vor 50 Jahren sorgte Klaus Biehler dafür, dass Schule nicht mehr nur im Klassenzimmer allein stattfand.

 Der ehemalige Schulleiter Klaus Biehler führte in Heiligenhaus das Schülerpraktikum ein. Ein altes Original-Klassenzimmer seiner damaligen Volksschule steht heute im Museum Abtsküche - seine Ideen sind aktuell geblieben..

Der ehemalige Schulleiter Klaus Biehler führte in Heiligenhaus das Schülerpraktikum ein. Ein altes Original-Klassenzimmer seiner damaligen Volksschule steht heute im Museum Abtsküche - seine Ideen sind aktuell geblieben..

Foto: achim blazy

Schülerpraktika sind heute in Deutschland fest verankert im Unterrichtsplan der Schulen und sind Plicht. Hier sollen erste Erfahrungen innerhalb der Berufswelt für die Schülerinnen und Schüler gesammelt werden. Vor 50 Jahren, 1964, wurden diese Praktika vor Ort erstmals eingeführt. "Hiermit waren wir Vorreiter für NRW. Die Stadt kann heute mit Stolz ein 50-jähriges Jubiläum feiern", findet Klaus Biehler, ehemaliger Rektor der Katholischen Schule Hetterscheidt, einst untergebracht im heutigen Museum für Alltagskultur in der Abtsküche.

Die Gründung fand weit über NRW hinaus Beachtung - das WDR-Fernsehen sendete in seiner Sendung "Hier und Heute" einen ausführlichen Bericht. Wesentliche Unterstützung bei den Vorbereitungen und der Einführung der Betriebspraktika fand Bieler durch den Arbeitskreis "Schule und Wirtschaft", hier vor allem von dem Juristen Professor Eberhard Schlepple und dem Pädagogen Professor Jakob Muth.

Der Arbeitskreis wurde im Herbst 1962 auf Initiative des Zusammenschlusses der Unternehmensführungen gegründet. Die geschah aus der Erkenntnis, dass eine systematische Begegnung und Zusammenarbeit zwischen Schule und Wirtschaft im Interesse beider Bereiche, aber auch zum Wohle der Gesamtgesellschaft notwendig sei. Die Schule solle damit ihrer Aufgabe "Erziehung fürs Leben" vermehrt gerecht werden. Fortan bemühten sich Schule und Wirtschaft um erheblich engere Kontakte. Hieraus entstand schließlich die Idee zur Einführung von Schülerpraktika in den Betrieben. Die Schülerinnen und Schuler wurden entsprechend (falls schon vorhanden) ihres zukünftigen Berufswunsches eingesetzt.

In den Analen der Katholischen Schule gibt ein Originalbrief von Klaus Biehler an die Eltern Auskunft über die Regularien. Das erste Praktikum war vom 21. September bis 17. Oktober 1964 in Verbindung mit Studenten der Pädagogischen Hochschule Kettwig - Leiter Professor Jakob Muth - angesetzt. In den jeweiligen von den Schülern selbst ausgesuchten Betrieben sollte die erste Woche täglich mit sechs Stunden pro Tag beginnen, in den nächsten Wochen die Stundenzahl dann nach den Vorschriften der Lehrlingsausbildung für das erste Lehrjahr erfolgen. An den Samstagen war arbeitsfrei.

Die Praktikanten trafen sich dann allerdings in der Schule zwecks Erfahrungsaustausch. Während das Praktikums wurden die Kinder von Lehrern und Studenten betreut. In Biehlers Brief heißt es wörtlich: "Zweck des Praktikums ist es, Ihrem Kind einen Einblick in die Arbeitswelt der Erwachsenen zu ermöglichen, um ihm sowohl Berufswahl als auch Übergang in die Lehrlingszeit zu erleichtern. Für die nachfolgende Arbeit in der Schule erwarte ich eine ernstere Lernhaltung im letzten halben Jahr bis zur Schulentlassung."

Alle Fabriken und Geschäfte, die in Heiligenhaus Rang und Namen hatten, stellten Praktikumsplätze zur Verfügung. Die Fahrtkosten zu den einzelnen Arbeitsstätten wurden von der VVH (Vereinigung für Verkehr und Heimatpflege) übernommen. 200 Erfahrungsberichte von Schülerinnen und Schülern zum ersten Berufspraktikum im Jahre 1964 sind noch im Original erhalten. Ein Beispiel soll für viele gelten: "Das Schülerpraktikum hat für mich seinen Zweck vollauf erfüllt und Spaß gemacht. Es hat mir dazu verholfen, den richtigen Beruf zu wählen. Bei den Diskussionen in der Schule erkannte ich, dass es den meisten meiner Schulkameraden ebenso ergangen ist."

(ror)
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