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Ratingen · Der uralte Ratinger Bittgang zu den sieben Fußfällen ist bis heute eine Einladung, Denkmäler der Volksfrömmigkeit neu zu entdecken.

 Karl-Heinz Dahmen (links) und Bauexperte Klaus Hamacher machten sich mit den Ratinger Jonges stark für die Sanierung der Hauser Kapelle.

Karl-Heinz Dahmen (links) und Bauexperte Klaus Hamacher machten sich mit den Ratinger Jonges stark für die Sanierung der Hauser Kapelle.

Foto: Blazy, Achim (abz)

Ein Spaziergang durch den engeren Ratinger Stadtkern ist ohne Blick auf Kreuze und Kapellen eigentlich nicht denkbar. Sieben dieser Zeugnisse historischer Volksfrömmigkeit weisen eine eigene, innere Ordnung auf. Es macht Spaß, sie zu entdecken. Wobei allerdings von Beginn an klar sein sollte: Diese Ordnung hat rein gar nichts mit einem obskuren Geheimcode zu tun. Sondern mit den sieben Worten Christi am Kreuz, den sieben Hauptkirchen von Rom (Pilgerziel bis heute), mit den sieben Sakramenten der katholischen Kirche und der Siebenzahl in der Schöpfungsgeschichte.

Wer sich, vom Bürgerhaus am Marktplatz aus auf einen gut drei Kilometer langen Weg macht, darf als Pilger gelten. Er bewegt sich auf dem uralten „Bittweg der sieben Fußfälle“. Dessen Ursprünge reichen bis ins Mittelalter zurück, wie der ehemalige VHS-Chef Dr. Kurt Holzapfel in einem Beitrag für die Lintorfer „Quecke“ bereits vor über 20 Jahren erforscht hat. „Der Bittgang der sieben Fußfälle soll auf ein Dekret von Papst Bonifaz IX. vom 16. April 1394 zurückzuführen sein, das es der Kölner Kirche erlaubte, den in Rom üblichen Bittgang zu den sieben Hauptkirchen auch in Köln symbolisch nachzuvollziehen.“ Von dort aus breitete sich dieser Brauch des Bittgangs im Rheinland aus, speziell im Erzbistum Köln. Bei schwerer Krankheit oder Lebensgefahr eines Familienangehörigen, Freundes oder Nachbarn zogen Gruppen zu den Kreuzen und Kapellen der sieben Fußfälle. Knieend beteten die Pilger das Glaubensbekenntnis und das Vaterunser, daher die Bezeichnung „Fußfälle“. Nach Holzapfels Erkenntnissen ist der Brauch in Ratingen in den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts zum Erliegen gekommen.

 Die Geschichte des „Heiligenhäuschen“ an der Ecke Kreuzstraße/Brückstraße reicht zurück in die Zeit des 30-jährigen Kriegs.

Die Geschichte des „Heiligenhäuschen“ an der Ecke Kreuzstraße/Brückstraße reicht zurück in die Zeit des 30-jährigen Kriegs.

Foto: Blazy, Achim (abz)

Geblieben sind die Kreuze und Kapellen, wenn auch nicht mehr vollzählig an ihren ursprünglichen Plätzen. Mehrere darunter, die sich auch jede für sich erkunden lassen.

 An der Rosenstraße steht diese moderne Kreuz-Darstellung.

An der Rosenstraße steht diese moderne Kreuz-Darstellung.

Foto: Blazy, Achim (abz)

Mancher Ratinger verbindet Stationen der eigenen Biografie eng mit der alt-frommen Historie. In der bis heute auffallendsten Kapelle, am Hauser Ring, wurde Karl-Heinz Dahmen in die katholische Jungschar aufgenommen, wie er sich erinnert. Jahrzehnte ist das her, doch Dahmen hat, als Mitglied der Ratinger Jonges, bis heute ein besonderes Verhältnis zu diesem Ort. Immerhin war es sein Heimatverein, der die Kapelle (im Besitz des Heltorfer Grafen Spee) vom Jahr 2012 an von Grund auf sanierte. Pieksauberes Kopfsteinpflaster nebst zwei grünen Bänken vor dem Eingang. Drinnen der Altar der Heiligen Barbara, früher ein Seitenaltar in der Pfarrkirche St. Peter und Paul. „Daher kommt auch der eigentlich verkehrte Name Barbarakapelle“, wie Klaus Hamacher erzählt. Er war als Baufachmann für die Sanierung verantwortlich.

Die Bauarbeiter standen vor höchst prosaischen Aufgaben: „Dach ausbessern, feuchte Wände isolieren, Boden komplett neu verlegen“, zählt Hamacher auf. Kein festgetretener Estrich mehr, sondern Sandsteinplatten (“über den städtischen Bauhof organisiert“). Dazu zwei Schemel aus dem gleichen Pfarrkirchen-Fundus. An der Wand eine Kreuzweg-Darstellung von Bert Gerresheim – Jonges-Verbindungen machten es möglich, das Kunstwerk hier zeigen zu können.

Ein zweites Kreuz des Bittwegs, aufgestellt an der Ecke Rosenstraße/Brückstraße, steht für ein Kapitel moderner Kunstgeschichte, wie Erika Münster-Schröer erklärt. Die Leiterin von Medienzentrum und Stadtarchiv erinnert sich: „Das Wegekreuz dort war lange Zeit nicht mehr vorhanden. Kurt Holzapfel hat 1999 Geld für ein neues Kreuz gespendet, das auch eine Verbindung zum Jakobusweg nach Santiago de Compostela darstellen sollte. Das ist aus „Ratinger blau“, einem bläulich schimmernden Sandstein, der aus einem alten Gebäude in Ratingen stammt. Unten ist die Jakobsmuschel eingraviert. Der Stein befand sich im Fundus der Werkstatt Lepper. Die Bildhauerin Lisa Lepper-Behl hatte den Auftrag, das Kreuz zu gestalten und hat dafür diesen Sandstein verwendet. Holzapfel und ich waren oft in der Werkstatt bei ihr, um den Fortgang zu beobachten. Ich persönlich finde, dass das ein ganz tolles Wegekreuz ist in seiner Wuchtigkeit.“

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Foto: RP/Podtschaske , Alicia

Beinahe in Sichtweite, rund 200 Meter entfernt, steht an der Ecke Kreuz- und Brückstraße das „Heiligenhäuschen“, nach dem auch der benachbarten Kapellenweg benannt ist. Auch hierzu nennt Münster-Schröer Details: „Seit dem 17. Jahrhundert, also bald nach dem Entstehen, nahm regelmäßig die Karfreitagsprozession von Peter und Paul aus hierhin den Weg, und die Kapelle wurde, wie aus Visitationsprotokollen hervorgeht, auch sonst viel besucht. Die Kapelle wurde im März 1648 , zum Ende des 30-jährigen Krieges, errichtet und soll unter großer Anteilnahme der Ratinger Bewohner (es wird die Zahl von 500 Teilnehmern genannt, das wären praktische alle) eingeweiht worden sein. Der Bau der Kapelle wurde schon im Jahr 1642 begonnen . Der alte Jakobus-Pilgerweg soll von Heiligenhaus kommend über Homberg weiter nach Kaiserswerth ebenfalls hier vorbeigelaufen sein, was sehr wahrscheinlich ist.“

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