Ratingen Der rechte Sitz für Pferd und Reiter

Ratingen · Sattlermeisterin Tina Andrießen-Koenen schneidert Sitzgelegenheiten passgenau.

 Tina Andrießen in ihrer Werkstatt.

Tina Andrießen in ihrer Werkstatt.

Foto: Achim Blazy

Tina Andrießen-Koenen arbeitet im Hühnerstall. Also - im ehemaligen Hühnerstall über dem ehemaligen Kälberstall. Und das, was sie herstellt, kommt zum Teil auch wieder Tieren zugute: Die 43 Jahre alte gebürtige Breitscheiderin ist Sattlermeisterin und kümmert sich tagtäglich darum, dass Pferd und Reiter mit dem rechten Sitz versorgt sind.

"Unser Partner Pferd unterliegt permanenten Veränderungen. Alter, Trainings- und Futterzustand machen die Sattelpassform zu einem dynamischen Prozess, der regelmäßige Überprüfungen sinnvoll macht" ist schon gleich das Credo der Firma, das die tatkräftige Frau seit Beginn ihrer Selbständigkeit im Jahr 2004 hochhält.

Wenn man in einen landwirtschaftlichen Betrieb hineingeboren wird, mit den anderen drei Generationen unter demselben Dach zurande kommt, wenn man sich in seiner Gemeinde wohlfühlt und sich mutvoll und kräftig fühlt - dann gibt es nur zwei Konsequenzen: Abhauen und was ganz anderes machen oder dableiben und sich verwirklichen. Wie man das so nett sagt. Tina Andrießen blieb.

Kindergarten, Grundschule, Realschule - alles lief ohne Probleme. Bei der Berufswahl gab es dann ein paar Sandkörner im Getriebe, denn den Wunsch, den Knochenjob "Bereiter" anzustreben, wusste Mutter Andrießen zu vereiteln, und ein paar Monate in einer Tierarzthelferinnen-Ausbildung machten der jungen Frau klar, "dass es das auch nicht ist". Da schaltete dich dann die Oma ein, die mit Verbindungen zu einer Sattlerei die Enkelin in die richtige Richtung schob.

Dass die junge Frau immer auch eigenen Ehrgeiz und zuverlässige Beständigkeit beim Lernen beisteuerte, höhere Bildungsabschlüsse machte und letztlich die Meisterschule mit Auszeichnung abschloss, kündet von Zuverlässigkeit. Und auch davon, dass das Herstellen von Sätteln oder deren Anpassung ihr Ding ist, dass sie Taschen, Koffer, Gürtel und Messerscheiden produzieren, Halsbänder, Leinen, Geschirre herstellen und reparieren kann und das alles immer noch mit Begeisterung - das spricht doch ganz klar dafür, dass sie bei der Berufswahl die Augen aufgehalten hat.

Natürlich hat sie Reiter oder Reiterin und deren Allerwertesten im Auge, wenn es um einen Sattel geht, aber mindestens genauso wichtig ist es, dass der Sattel dem Pferd wie angegossen passt, damit es zu keinem schmerzhaften Druck kommt und das Zusammenspiel von Mensch und Tier schon allein deshalb in die Binsen geht.

Wunderschön sind Erzählungen mit den Schlagwörtern ihres Handwerks: Da geht es um den Sattelbaum - die Basis des Sattels, die aus hartem Material besteht, meist mit Leder bezogen wird und der den Rahmen darstellt, um den herum der eigentliche Sattel gefertigt wird. Da geht es um die Kammerweite, die dem Widerrist des Pferdes anzupassen ist und unter anderem über "sitzt gut" oder "sitzt gar nicht" entscheidet.

Als Chefin von zwei Gesellinnen, als "Alteingesessene" in ländlicher Umgebung, als Mutter von zwei Töchtern und tiefer familiärer Verwurzelung in festgefügter Nachbarschaft hat Tina Andrießen-Koenen natürlich ein gewisses Gepäck mitzutragen, das Leuten in ähnlicher Lage bekannt ist. Aber auch sie kann sich auf die Vorteile der Verflechtungen stützen. Hätten sie und ihre Schwester Ponys bekommen, wenn es da keine Freundschaft der Großeltern mit Bauer Theo Leuchten ("Die Mädchen brauchen die Tiere dringend") gegeben hätte? Wahrscheinlich nicht.

Mit Ponys, Kälbern, Hühnern, Hunden und Katzen ist sie groß geworden. Sie hat sich nicht vorm Arbeiten gedrückt und immer geholfen, wenn der Betrieb oder die Familie etwas brauchten. "Die Tina kann eigentlich nicht rumsitzen und nichts tun" beschreibt Ehemann Heiner Koenen seine agile Frau, "die muss immer was machen". Auch ein Lob.

Man sieht ihren Händen an, dass sie kräftig hinlangen muss und in diesen Jahreszeiten noch mehr Creme verschmiert als Schreibtischtäterinnen. Zu ihr gehören ihr direkter Charme, eine schnörkellose Herzlichkeit - all das, was man mit zupackend beschreiben möchte. Und hilfsbereit ist sie sowieso.

(gaha)
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