Ratingen Der Mendel war's

Düsseldorf · Überraschung beim Cromford-Gespräch: Die Geschichte des Herrenhauses muss wohl neu geschrieben werden, denn der bürgerliche Schlossbau ist vermutlich älter als angenommen. Auch der Architekt scheint gefunden.

Die Baugeschichte des Herrenhauses Cromford muss vermutlich grundlegend überarbeitet werden. Im jüngsten Cromford-Gespräch, in dem Museumsleiterin Claudia Gottfried mit weiteren Enthüllungen aus der geheimnisvollen Baugeschichte aufwartete, gab es erste Belege dafür, dass der bürgerliche Schlossbau des Unternehmers Johann Gottfried Brügelmann nicht erst 1790, sondern möglicherweise schon sechs Jahre früher errichtet wurde.

Vom Salon aus in die Fabrik

Die erste Spur zum Überdenken der Entstehungszeit des Herrenhauses Cromford hatte schon die Entdeckung einer Kellertreppe unter dem kleinen Eingang zum rechten Ostflügel gegeben. Der zweite Teil des Puzzles wurde der Schlussstein über der Tür zum Museumscafé, in dem Fördervereinsvorsitzender Hans Hüppe die Gäste begrüßt hatte. Er trägt nämlich in lateinischen Ziffern die bisher rätselhafte Jahreszahl 1784. Das dritte Puzzleteil ist der Bericht der Erzieherin einer Prinzessin von Hessen-Kassel, in dem es heißt, dass man aus den Salons von Cromford direkt in die Fabrik hinübergehen könne – geschrieben 1785.

Mit diesen Funden machte sich vor allem Martin Schmidt aus dem Museumsteam auf die Suche nach dem möglichen Baumeister und stieß dabei auf den Architekten Mendel. Der war in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts für den niederen Adel und reiche Bürger im Rheinland tätig, und seine kleinen Schlösser, etwa in Schlenderhahn und Miel zwischen Bonn und Euskirchen, sehen Cromford recht ähnlich.

Mendel starb bereits 1784 und war deshalb als Architekt nie in Betracht gekommen. Jetzt, mit den neuen Zahlen und dem Wissen, dass sich der etwas chaotische Mann zur Abwicklung seiner oft allzu zahlreichen Projekte einen Neusser Baumeister zu Hilfe nahm, klingt die Zuordnung realistisch. So hat Brügelmann schon kurz nach Baubeginn den Plan eines kleinen Stadthauses in ein repräsentatives Lustschloss umändern lassen. Besonders spannend wurde es für die über 20 Gesprächsteilnehmer dadurch, dass sie diesmal das ganze Gebäude durchwandern durften. Durch drei Treppenhäuser ging es auf teils steilen Holzstufen auf und ab, in das vierte, das aus Brandschutzgründen samt Fahrstuhlschacht zum Kummer der Denkmalschützer aus Beton gebaut wurde, schaute man hinein.

Claudia Gottfried, bewaffnet mit einem wuchtigen Dreikantschaber zum Öffnen der Türen, die noch keine Klinke haben, wies auf jede Menge faszinierende Details hin: die Brunnenplatte vor der Trennwand zum rosa Kontor; die wieder freigelegten schönen alten Fußböden aus breiten Eichendielen; die Vorzeichnungen für damals in Mode gekommene illusionistische Wandverkleidungen à la Pompeji oder im Dachgeschoss der Lehmwurfputz mit Weidensparren, der hinter Glas sichtbar bleiben soll. Überall werden die alten Türen – im Original oder rekonstruiert, wozu die Denkmalpflege der Stadt Ratingen finanzielle Unterstützung gab – wieder eingebaut.

(RP)
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