Ratingen Ein üppiges Werk trotz kurzer Lebenszeit

Der Ratinger Künstler Peter Brüning wäre in diesen Tagen 90 Jahre alt geworden. Er starb im Alter von nur 40 Jahren.

 Das Brüning-Objekt vor dem Herrenhaus Cromford kennen viele Ratinger. Es stellt das Zeichen für Laubwald dar.

Das Brüning-Objekt vor dem Herrenhaus Cromford kennen viele Ratinger. Es stellt das Zeichen für Laubwald dar.

Foto: Blazy, Achim (abz)

Ein sicherlich junger Mann mit offenem, mit kritischem Blick: Peter Brüning. Ein Foto aus den 50ern, dem man nicht unterstellen mag, dass es einen Mann Mitte 20 darstellt. Und jetzt, gerade in dieser Woche, erinnern sich die Kunstinteressierten seiner und seines 90.Geburtstags.

 Peter Brüning 1957 bei der Arbeit in seinem Ratinger Atelier.

Peter Brüning 1957 bei der Arbeit in seinem Ratinger Atelier.

Foto: Nachlass Peter Brüning

Allerhand mag einem in Zusammenhang mit Peter Brüning einfallen – nur kein so später Geburtstag. Er ist jung geblieben, hat in seinen 40 Lebensjahren ein üppiges und gleichwohl umfangreiches Oeuvre geschaffen, das für einen Künstler nach einer so kurzen Lebenszeit überraschend rund ist.

In Ratingen erinnern unter anderem der nach ihm benannte Platz zwischen Ehrenfriedhof und Medienzentrum an ihn, ein Ölbild und mehrere ausdrucksstarke Arbeiten auf Papier in den Beständen des Museums und ein Objekt vor dem Herrenhaus Cromford. Das kennen viele Betrachter, vornehmlich die Spaziergänger.

 Peter Brüning (hintere Reihe mit rotem Pullover) im Kreis beispielsweise von Gerhard Richter, Joseph Beuys und Günther Uecker.

Peter Brüning (hintere Reihe mit rotem Pullover) im Kreis beispielsweise von Gerhard Richter, Joseph Beuys und Günther Uecker.

Foto: Kunstsammlung NRW

„Ach, die etwas bauchige Ziffer zwei da unter den Bäumen vor Cromford, ja klar…“.  Ja klar, die so genannte Zwei ist zwar prominent und leicht erinnerlich – sie ist aber gar keine Zwei, sie ist ein kartographisches Zeichen für Laubwald, wie wir sie alle noch aus frühester Schulzeit aus dem Atlas kennen. Und bei Brüning nimmt gerade dieses Objekt das Phänomen der Landschaft auf, das sich durch sein ganzes Werk zieht – in immer anderen Darstellungsformen.

Marie Luise Otten, Lebensgefährtin Brünings und Kuratorin seines Nachlasses, meint: „In der Rückschau auf den in der Blüte seiner Jahre früh verstorbenen Künstler muss man unwillkürlich an das Phänomen einer schon in sehr jungen Jahren viel beachteten künstlerischen Entwicklung denken, der Folgerichtigkeit, bildnerische Erfindungskraft und geistige Intensität zu eigen sind, die zwar Ende 1970 ihren jähen Abschluss fand, aber als Ganzes auf eine ganz besondere Art in sich vollendet und geschlossen erscheint.“

 Das Ölbild Nr. 109 ist im Besitz des Museums der Stadt.

Das Ölbild Nr. 109 ist im Besitz des Museums der Stadt.

Foto: Blazy, Achim (abz)

Sie würdigt ihn in Bezug auf die Kunstgeschichte: „Als zentrale Figur der deutschen Kunstgeschichte der 1950/60er Jahre hat er ein außergewöhnlich vielfältiges und wegweisendes Werk hinterlassen und als solche den künstlerischen Neuanfang nach dem Krieg entscheidend mitgestaltet.

Brüning gehört zu den Künstlern, unter deren Einfluss sich im Rheinland die „Düsseldorfer Kunstszene“ entwickeln konnte. 1929 wurde er in Düsseldorf geboren, der Vater, Buchhändler und Antiquar, und die Mutter, Tochter aus einer Ratinger Industriellen-Familie, boten ihrem Sohn ein gleichermaßen aufgeschlossenes wie künstlerisch hoch interessiertes Zuhause.

Nach dem Besuch des Görres-Gymnasiums studierte Brüning von 1950 bis 1952 bei Willi Baumeister in Stuttgart und war von 1952 bis 1954 zu Studienzwecken in Paris – sozusagen als noch nicht 30-Jähriger einer der jüngsten und wichtigsten Protagonisten des deutschen Informel und erlangte bereits in den 1950er Jahren internationale Anerkennung.

Zahlreiche Einzelausstellungen im In- und Ausland, etliche Förderpreise und die Beteiligung an den wichtigsten Ausstellungsprojekten seiner Zeit, unter anderem mehrfach auf der documenta in Kassel, geben Zeugnis von diesem Erfolg. Durch sein umfangreiches Hauptwerk, das innerhalb von kaum mehr als fünfzehn Jahren entstanden ist, zieht sich wie ein roter Faden das Thema Landschaft. Wenn auch nicht mehr im konventionellen Sinne gebraucht.

Ab dem Jahr 1969 hat er einen Lehrstuhl für Freie Malerei an der Düsseldorfer Kunstakademie inne und kann in gewisser Weise als eine Integrationsfigur innerhalb der Szene angesehen werden.

Für die Darstellung von Phänomenen innerhalb der Landschaft – besser eigentlich der Natur – hat Peter Brüning sich eines wandelnden Zeichenrepertoirs bedient, das in der Reflexion zu seiner ihn direkt umgebenden Umwelt entstanden ist.

Von 1964 an fanden allgemeingültige Zeichensysteme wie die Kartographie und Verkehrszeichen schrittweise Eingang in seine Bildsprache. Es entstehen Bilder, Installationen, Skulpturen, die die Realität der Kunst befragt und eine für diese Zeit radikale Position markiert. Zum Ende seines Lebens wohnt er an der Grenze Ratingens zu Düsseldorf und verstirbt, ganz plötzlich, am 25. Dezember 1970.

Anfang dieses Jahres waren ihm zwei Einzelausstellungen in der Galerie Haas (Zürich und Berlin) gewidmet, die in enger Kooperation mit dem Nachlass Peter Brüning entstanden sind und von einem Katalog in deutscher und englischer Sprache begleitet wurden.

Die Präsentation in der Galerie Haas, Zürich, legte den Schwerpunkt auf die frühen informellen Jahre und dort vor allem auf die Werke auf Papier, in Berlin ging es mehr um den Übergang vom Informell zu den kartographischen Werken anhand von Bildern und einer Installation aus dieser letzten Phase seines Werkes. Weitere Ausstellungen beispielsweise in Frankreich und den USA sind derzeit in der Planung.

 Peter Brüning im Sommer 1934 in Ratingen auf dem See

Peter Brüning im Sommer 1934 in Ratingen auf dem See

Foto: Nachlass Peter Brüning

Wer nach häufiger Betrachtung der „Zwei“ vor Cromford noch mehr Brüning draußen sehen will, dem sei das „Autobahn-Denkmal“, an der A1-Raststätte Ehrenberg-West empfohlen, das vor mehr als 50 Jahren (1968) errichtet wurde. Derzeit hat es durch Neugestaltung des Umfeldes von seiner ursprünglichen Attraktivität verloren. Doch die Lokalzeit des WDR drängt  – zusammen mit dem Nachlass – auf umfassende Restaurierung und Pflege.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort