Ratingen Calvin und Kirchenbau

Düsseldorf · Das Archiv der evangelischen Stadtkirche reicht 425 Jahre weit zurück. Es dokumentiert unter anderem den Bau der damaligen reformierten Kirche. Pfarrer Stephan Weimann hütet die geschichtsträchtigen Dokumente.

Pfarrer Stephan Weimann weiß um Herausforderungen im Kleinen für den Historiker: "Manche dieser alten Schreiber hatten eine wunderbare Handschrift, andere haben ziemlich geschmiert", sagt der Archivbeauftragte der evangelischen Gemeinde. Das Gemeindeleben ist seit 425 Jahren umfangreich dokumentiert, die reformierte Gemeinde ist 1584 erstmals urkundlich erwähnt. Zu finden sind in den Ratinger Beständen Protokolle der Bergischen Synode ebenso wie landesherrliche Verfügungen oder Dekrete aus der napoleonischen Zeit, 1808 bis 1813. Letztere mussten die Pfarrer von der Kanzel aus verlesen.

Hüten und auswerten

Doch die Archivalien, die Weimann für die Stadtkirche hütet und in Teilen auswertet, sind alles andere als eine einheitlich geordnete Chronik, in der einzelne Jahreszahlen bequem nachzuschlagen wären. Zwar gibt es seit den 1950er Jahren wieder ein umfangreiches "Findbuch", ein Inhaltsverzeichnis der Archivbestände, doch sind die Bestände nicht wissenschaftlich aufgearbeitet. "Es blieb bisher bei Ansätzen zu einer Chronik", sagt Weimann. Was Vor- und Nachteile hat. Eindeutiger Vorteil für den Freund alter Handschriften: Es gibt immer etwas zu entdecken, wie Sitzungsprotokolles der Gründerjahre. Papiere geben über die Frage Auskunft, wie mit konfessions-Unentschlossenen umzugehen sei. Die damalige Antwort fasst Stadtkirchen-Pfarrer Dr. Gert-Ulrich Brinkmann schmunzelnd in einem Wort zusammen: "Abwarten."

"Immer wieder haben Pfarrer vor Ort sich um Teile der Gemeindegeschichte gekümmert und sie anhand der Quellen aufgearbeitet", sagt Weimann. So finden sich Schriften des Pfarrers Heinrich Kolfhaus (1879 bis 1956), der später Ehrenbürger der Stadt Bad Godesberg wurde.

Gut dokumentiert ist die Geschichte der heutigen Stadtkirche, deren Geschichte bis ins Jahr 1653 zurückreicht. Von da an waren es noch einmal 15 Jahre hin bis zur Grundsteinlegung, denn die Behörden legten sich quer gegen einen reformierten Kirchenbau. Die Ratinger Gemeinde sei "eine Gemeinde unter dem Kreuz gewesen", so Brinkmann. Eine Parallele zu den Gemeinden, in denen der Genfer Reformator Johannes Calvin als Verfolgter wirkte.

"Mit dem Sammeln von Bruchsteinen fing in Ratingen der Kirchenbau an", wie Pfarrer Brinkmann weiß. Die Gemeinde war arm, das Grundstück ein heimliches Geschenk des Ratinger Kurfürstlichen Rates Werner Blasspiel. Viele Spenden kamen aus den reformierten Gemeinden der Niederlande. Die Ratinger Spendensammler waren zu diesem Zweck viel im Nachbarland unterwegs. Wirklich beendet war der Kirchenbau erst mit Fertigstellung des Turms – das war 1984.

(RP)
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