Ratingen "Bürger wachrütteln"

Düsseldorf · Opfer der Lehman-Pleite demonstrierten gestern vor der Dresdner Bank und der Targobank (Ex-Citibank).Die Teilnehmer haben teilweise große Summen bei den spekulativen Anlagegeschäften verloren.

Demonstrationen sind selten in Ratingen. Vor Banken sowieso. Gestern gab es wohl eine Premiere: Die Interessengemeinschaft der Lehman-Geschädigten machte lautstark mit Tröten, Pfeifen und Sprechchören vor der Dresdner Bank und der Targobank (ehemals Citibank) auf ihre Lage aufmerksam. Unter den etwa 40, meist älteren Demonstranten waren auch zahlreiche Bankenopfer aus Ratingen. Bekanntlich hatten deutsche Geldinstitute im Jahre 2007 vielen Anlegern angeblich sichere Zertifikate der US-Bank Lehman Brothers verkauft – ohne darauf hinzuweisen, dass es sich um hochspekulative Zockergeschäfte handelte. Als Lehman pleiteging, war auch das Geld weg. Seitdem kämpfen viele geprellte Anleger weltweit um Schadensersatz. Ihnen läuft langsam die Zeit davon: Die Verjährungsfrist lief im Februar ab, nur wer sich rechtzeitig zum Beispiel an einen Ombudsmann wandte, bekam noch ein halbes Jahr Aufschub, hieß es gestern am Rande der Demo.

Hubert Gamsjäger (60) aus Homberg verlor 12 000 Euro. Gamsjäger erinnerte sich noch gut an jenen Anruf einer Beraterin der damaligen Citibank im Februar 2007: Man wolle sich mit ihm über seine Konten unterhalten. Es gehe um Geldanlagen. Gamsjäger fand die Idee gut, machte sich aber zunächst selbst kundig und stieß auf Bundesschatzbriefe als sichere Anlage. Die Sicherheit des Geldes, das sei ihm doch sehr wichtig gewesen, sagte Gamsjäger gestern. "Konservativ" nennt man das im Branchenjargon. Für die Schatzbriefe hätte er 3,25 Prozent kassieren können, ihm hätte das gereicht. Doch die Beraterin habe davon nichts wissen wollen: "Sie habe etwas Besseres, sagte sie mir. 5,5 Prozent Zinsen, eine 100-prozentig sichere Anlage." Es waren Lehman-Zertifikate. "Ich habe wegen des Namens sogar geglaubt, dass es sich um eine deutsche Bank handeln würde", so Gamsjäger.

Gemeinsam habe man einen mehrseitigen Fragebogen ausgefüllt: Dabei sei sein Anlageverhalten als "konservativ" eingestuft worden. Und: "Kein Wort davon, dass die Citibank an Lehmann beteiligt gewesen war, kein Wort davon, dass Lehmann bereits im Jahr zuvor in Schwierigkeiten gesteckt habe, kein Wort von der satten Provision für die Verkäuferin." Von der Bankpleite habe er dann aus der Zeitung erfahren. Er hat einen Ombudsman eingeschaltet, die Bank habe nach langem Hin und Her 40 Prozent angeboten, "damit ich meinen Mund halte". Doch Gamsjäger spricht heute von "vorsätzlichem Betrug" und davon, dass alle Behörden gepennt hätten. Er will vor Gericht ziehen. Er verweist auf eine "völlig verzweifelte" Ratingerin, die nach dem Tode ihres Mannes einen Anruf von der Citibank bekommen habe und sich Zertifikate in Höhe von 40 000 Euro habe andrehen lassen. Es war das Geld aus der Lebensversicherung, es sollte für die Kinder angelegt werden. Auch Helmut Flemming (70) erinnert sich, dass man ihm Lehman-Papiere als angeblich "sichere Anlage" verkauft habe. Er war von sich aus zu seiner Dresdner Bankfiliale in Düsseldorf gegangen, um sich in Sachen Geldanlage "beraten" zu lassen. Es wurde ein Verkaufsgespräch, am Ende war er 10 000 Euro los. "Als in der Folgezeit der Kurs sank, war ich bestimmt zehnmal in der Bank, um sie zu verkaufen", so Flemming.

Doch die "Beraterin" habe auf stur geschaltet und ihm immer wieder vom Verkauf abgeraten. "Nun ist das Geld futsch." Vor Gericht ziehen will er nicht, um "verbranntem Geld nicht noch mehr hinterher zu werfen". Doch mit solchen Demonstrationen wolle er Bürger wachrütteln und für "Negativreklame" sorgen.

(RP)
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