Ratingen Auf der Pirsch nach Pilzen

Ratingen · Der Wald rund um Ratingen ist für die Biologin Regina Thebud-Lassak ein ideales Erkundungsgebiet. Die Teilnehmer an ihren Exkursionen lernen schnell: Hier geht es mehr um ein Stück Wissenschaft als um Kochrezepte.

 Pilzsucher sind gut beraten, zur Suche ein Körbchen und etwas zum Schreiben mitzunehmen. Exkursionsleiterin Regina Thebud-Lassak (Mitte) hat mehrere Jahrzehnte Sammel- und Bestimmungserfahrung.

Pilzsucher sind gut beraten, zur Suche ein Körbchen und etwas zum Schreiben mitzunehmen. Exkursionsleiterin Regina Thebud-Lassak (Mitte) hat mehrere Jahrzehnte Sammel- und Bestimmungserfahrung.

Foto: Achim Blazy

Kuschelwarm wie ein kanadischer Holzfäller sollte gekleidet sein, wer in die Pilze gehen möchte. Denn ausgerechnet in der usseligen Nasskälte der Monate Oktober und November lassen jene vielgestaltigen Lebewesen ihre Fruchtkörper prächtig sprießen. Weit und breit kann niemand besser die Mysterien der Mykologie erklären als Dr. Regina Thebud-Lassak.

Seit 39 Jahren bietet die promovierte Biologin bei den Volkshochschulen rund um Düsseldorf herbstliche Erkundungstouren zu den oft verborgen gelegenen Brennpunkten der Pilzkulturen an. Für die VHS Ratingen war sie erstmals im Jahr 1982 tätig: "Die Stadt ist so waldreich, hier lohnt es sich einfach, Pilzexkursionen zu unternehmen." Über die Jahrzehnte habe sich daran nichts Grundsätzliches geändert. Unterschiede machten jedoch die Witterungen der einzelnen Jahre. 2013 etwa war ein Spitzenjahr mit 73 an einem Nachmittag gefunden Pilzarten. Nach dem monströsen Ela-Sturm im Sommer 2014 konnten an gleicher Stelle nur 46 Arten gezählt werden.

 Regina Thebud-Lassak zeigt einen winzigen Spaltblättling (rechts) und demonstriert, wo man einen Fichtensporling entdecken kann.

Regina Thebud-Lassak zeigt einen winzigen Spaltblättling (rechts) und demonstriert, wo man einen Fichtensporling entdecken kann.

Foto: Blazy Achim

Nahe dem an der Mülheimer Straße gelegenen Wanderparkplatz "Am trockenen Stiefel" - der Name verrät bereits den gut gangbaren Waldweg - lässt Thebud-Lassak die jeweils höchstens zwanzig Interessenten kleine Zirkel um die gesichteten Pilze formen; immer möglichst dicht an den Fundstücken. Gleich neben dem Weg zieht der Dickelsbach seine Schleifchen. Dessen Auen sind stets feucht - so richtig schön feucht, finden anscheinend die Pilze, die hier zahlenstark gedeihen.

"Nach Ansicht vieler meiner Kollegen war 2016 jedoch bislang ein außergewöhnlich bescheidenes Pilzjahr", beginnt die Kursleiterin ihren einleitenden Vortrag leicht bedauernd. "Denn Pilze sind als Müllabfuhr und Recycler des Waldes sehr wertvoll für unser Ökosystem." Bis ins mikroskopisch genaue Detail schildert sie den staunenden Hörern die schwierige Kunst zur Bestimmung der Arten. Ein wichtiges Indiz etwa sei die Farbe der Sporen, die weiß, rosa, braun oder schwarz sein kann. Auf die exakte Herleitung von Erkenntnissen legt die Doktora nun einmal Wert: "Ich laufe ja bei der VHS nicht unter Kochkurse, sondern unter wissenschaftliche Exkursionen."

An die Pilze kam sie dereinst durch ihren Vater. Er stammt aus Ostpreußen. Dort wussten die Leute seit jeher, dass sie Pilze verzehren können. Es gibt Anzeichen dafür, dass der rheinische Pilzreichtum nach dem Krieg von Flüchtlingen aus den deutschen Ostgebieten durch Übersammeln dezimiert wurde. Am Niederrhein war das Wissen um die Pilznutzung in der einheimischen Bevölkerung weniger verbreitet, erklärt die Grevenbroicherin: "Meine Mutter kannte so etwas auch nicht und war immer 'fies dafür', wie man so sagt."

Mit dem beherzten Ruf "Gut Pilz!" gibt Thebud-Lassak alsdann das Startsignal an die Kursteilnehmer, nun zur Pilzejagd auszuschwärmen. Eine Vermutung noch: "Gibt es hier denn auch Trüffel zu finden?" Für das schwarze Gold, so weiß die Expertin, müsse man viel weiter südlich suchen. Ein beliebter Fund in hiesigen Gefilden ist vielmehr der Hallimasch.

Sein Name macht schon beim Aussprechen gute Laune, in Pilzmischgerichten soll er ordentlich munden und dank seiner erstaunlichen Fähigkeit zur Biolumineszenz kann er in der Dunkelheit leuchten. Ein erst im Jahr 2000 entdeckter Hallimasch in Oregon (USA) gilt mit einer Ausdehnung von neun Quadratkilometern gar als größtes Lebewesen der Welt.

(lard)
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